Schwarzer Skorpion - Thriller (German Edition)
Mädchen für den Service.“
„Ich bin doch kein Mädchen mehr.“ Nachsichtig schüttelte Karen den Kopf und riss sich von der Aussicht los. „Aber vielleicht ist es eine gute Idee.“ Sie blieb plötzlich stehen. „Das ist doch hoffentlich kein Animierlokal?“, fragte sie mit gespieltem Entsetzen.
„Nein, wo denkst du hin! Es ist eine In-Bar.“
Als der Junge auf sie zukam und sie sanft an den Schultern packte, überlegte Karen für den Bruchteil einer Sekunde, dass sie ihn sofort töten könnte. Es war ein Reflex, jahrelang antrainiert und perfektioniert. Genauso wie die Verwandlung in andere Personen und das Erfinden von Lebensläufen. Heute war sie Karen Black, noch vor einer Woche hatte sie sich als Studentin Ruth Mayer in Marrakesch herumgetrieben und in Wirklichkeit war sie Leyla Khan, die einzige Überlebende einer Familie, die sie nie gekannt hatte und von der sie nicht einmal ein Foto besaß. Hier in München war sie als David Steins Schatten, um ihm zu helfen, seinen Auftrag auszuführen. Dieser Auftrag war, den Skorpion daran zu hindern, ein Attentat zu verüben. Nur wenn der Skorpion ausgeschaltet war, bekam David Stein sein Honorar. Eine Million Dollar, die für sie bestimmt waren.
Diese Gedanken gingen ihr durch den Kopf, als sie die Hände des Jungen auf ihren Schultern spürte. Der Junge war knapp über zwanzig, weshalb sollte also sein Leben so abrupt beendet werden? Vielleicht würde sie ihn töten, vielleicht aber auch nicht. Auch ihr Leben konnte schnell vorüber sein, deshalb war es besser, den Augenblick zu leben und sich zu nehmen, was man kriegen konnte, dachte Karen und streckte sich nach oben, um den scheuen Kuss des Jungen zu erwidern.
30. Marrakesch – Industriegelände
Tag 5, nachmittags
Stella Heisenberg hatte noch immer nicht das Bewusstsein erlangt und kämpfte mit dem Tod. Durch den Stich des Skorpions war ihr ohnehin schon sehr geschwächter Kreislauf komplett kollabiert. Sie war nahe am Verdursten gewesen und ihr Herz schlug nur sehr schwach und unregelmäßig. Die Spezialisten in dem Ambulanzflugzeug der Bundeswehr, mit dem sie zurück nach Deutschland geflogen wurde, konnten nicht viel mehr tun, als ihren Kreislauf zu stabilisieren und sie in ein künstliches Koma zu versetzen, damit sich die lebenswichtigen Organe wieder regenerieren konnten. Ihren Collie hatte David in einer Hundebox im Flugzeug verstaut, nachdem er die Ärzte davon überzeugt hatte, dass der Hund für den Genesungsprozess von Stella von immenser Bedeutung wäre.
Als die Maschine Richtung Deutschland abhob, ging David Stein zurück in den Hangar des NATO-Flughafens in einer unwirtlichen Geröllwüste südlich von Marrakesch. Mehrere Männer der verschiedensten Nachrichtendienste hatten sich um einen Bildschirm geschart, auf dem die Ausläufer des Rif-Atlas-Gebirges zu sehen waren.
„Das haben wir soeben von einem unserer Satelliten übermittelt bekommen“, sagte einer der Agenten, als David den Hangar betrat. „Es ist der Aufenthaltsort des Skorpions, das wurde uns von einem Informanten bestätigt. Aber wie es aussieht, ist das Lager leer.“
Die Satellitenbilder wurden näher gezoomt und man sah jetzt ganz deutlich die graubraunen Zelte, die mit der kargen Umgebung verschmolzen. Es waren weder Fahrzeuge noch Menschen zu sehen und alles wirkte wie ausgestorben.
Das ist merkwürdig, dachte David, denn der Skorpion musste wissen, dass die Befreiung von Stella Heisenberg erfolgreich gewesen war und seine Erpressung daher wirkungslos. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht.
Nach mehreren erfolglosen Versuchen hatte er endlich einen Slot und damit eine Verbindung zur Außenstelle der „Abteilung“ in München. Das dazugehörige Bild auf dem Monitor war grobkörnig und flimmerte.
„Stella Heisenberg ist auf dem Rückflug nach Deutschland. Wir haben auch das Lager des Skorpions ausfindig gemacht. Eigentlich sollte heute Nacht die Operation ,Schwarzer Skorpion‘ abgeschlossen und der Skorpion gefangen genommen werden, aber das Lager ist komplett leer“, sagte David.
Robyn unterbrach ihn kein einziges Mal, tippte stattdessen in ihren Tablet-Computer, so als würde sie überhaupt nicht zuhören.
„Ein Sandsturm hat unsere Kommunikation für Stunden unterbrochen, Stein“, hörte er Robyns Stimme jetzt so deutlich, als würde sie neben ihm stehen. „Deshalb haben Sie auch nicht das aktuelle Update.“
Der überprofessionelle Unterton in Robyns Stimme irritierte Stein, durch seine Arbeit
Weitere Kostenlose Bücher