Schwarzer Sonntag
neben ihm saß und schlief. »Für diesen Herrn und mich.« Er hatte einen Akzent, den die Stewardess nicht recht unterbringen konnte. Sie kam zu dem Schluß, daß es wahrscheinlich ein Deutscher oder ein Holländer war. Sie irrte sich.
Es war Major David Kabakov vom Mossad Aliyah Beth, dem israelischen Geheimdienst, und er hoffte inständig, daß die drei Männer, die hinter ihm auf der anderen Seite des Ganges saßen, kleinere Geldscheine für ihre Flugbilletts bei sich hatten. Andernfalls würde die Stewardess sich möglicherweise später an sie erinnern. Ich hätte mich in Tel Aviv darum kümmern sollen, dachte er. Der Aufenthalt auf dem Kennedy Airport war zu kurz gewesen, um Wechselgeld zu besorgen. Es war ein kleiner Fehler, aber er ärgerte sich darüber. Major Kabakov war 37 Jahre alt geworden, weil er nur selten einen Fehler beging.
Der Mann neben ihm war Sergeant Robert Moschevsky. Er hatte den Kopf zurückgelehnt und schnarchte leise. Auch während des langen Flugs von Tel Aviv nach New York hatten Kabakov und Moschevsky sich nicht anmerken lassen, daß sie die drei Männer hinter ihnen kannten. Dabei arbeiteten sie seit Jahren mit ihnen zusammen. Es waren vierschrötige Männer mit vom Wetter gegerbten Gesichtern, und sie trugen unauffällige, locker sitzende Anzüge. Sie waren das, was der Mossad eine »taktische Einsatzgruppe« nannte. Anderswo hätte man sie als Stoßtrupp bezeichnet.
In den drei Tagen, seit er Hafez Nadscheer in Beirut getötet hatte, war Kabakov kaum zur Ruhe gekommen, und er wußte, daß er unmittelbar nach seiner Ankunft in der amerikanischen Hauptstadt einen ausführlichen Bericht erstatten mußte. Der Mossad hatte das Material, das Kabakov von dem Überfall auf die Führer des »Schwarzen September« mitbrachte, analysiert und hatte nach Abhören des Tonbands sofort gehandelt. Es fand eine eilig angesetzte Konferenz in der amerikanischen Botschaft statt, und Kabakov wurde nach Washington entsandt.
Bei der Besprechung zwischen amerikanischen und israelischen Nachrichtendienstlern in Tel Aviv war lediglich vereinbart worden, daß Kabakov in die Vereinigten Staaten fliegen sollte, um gemeinsam mit den Amerikanern festzustellen, ob eine wirkliche Gefahr bestand, und um ihnen zu helfen, die Terroristen zu identifizieren, falls sie ausfindig gemacht werden konnten. Seine offiziellen Weisungen waren klar.
Aber das Oberkommando des Mossad hatte ihm eine zusätzliche, ebenso strikte wie eindeutige Anweisung gegeben. Er sollte den Arabern mit allen erforderlichen Mitteln Einhalt gebieten.
Die Verhandlungen über den Verkauf weiterer Phantom- und Skyhawk-Jets an Israel befanden sich in einem kritischen Stadium, und der Druck der Araber auf die Amerikaner wurde durch die Ölknappheit in der westlichen Welt verstärkt. Israel war auf die Flugzeuge angewiesen. Wenn keine Phantom-Jäger mehr über der Wüste kreisten, würden die arabischen Panzer wieder rollen.
Ein größeres Massaker in den Vereinigten Staaten würde das Gleichgewicht der Kräfte zugunsten der amerikanischen Isolationisten beeinflussen. Die Hilfe für Israel durfte die Amerikaner keinen zu hohen Preis kosten.
Weder im israelischen noch im amerikanischen Außenministerium wußte man etwas von den drei Männern, die hinter Kabakov saßen. Sie würden in einem Apartment in der Nähe des National Airport Quartier beziehen und darauf warten, daß Kabakov sie rief. Noch hoffte Kabakov, daß es nicht nötig sein würde, sie zu rufen. Wenn irgend möglich wollte er die Sache selbst in aller Stille erledigen.
Kabakov hoffte, daß die Diplomaten sich nicht mit ihm befassen würden. Er mißtraute allen Diplomaten und Politikern. Seine Einstellung und seine innere Haltung spiegelten sich in seinen groben, aber intelligenten slawischen Zügen wider.
Kabakov wußte, wie leicht es geschehen konnte, daß unvorsichtige Juden jung starben und daß schwache Juden hinter Stacheldraht endeten. Er war im Krieg aufgewachsen, war knapp vor dem Einfall der Deutschen mit seiner Familie aus Litauen geflohen und später vor den Russen. Sein Vater war in Treblinka gestorben. Seine Mutter flüchtete mit ihm und seiner Schwester nach Italien, hatte aber die Strapazen der Flucht nicht überlebt. Während sie sich mit den Kindern nach Triest durchschlug, hatte ein Feuer in ihr gebrannt, das ihr Kraft gab und sie gleichzeitig verzehrte.
Noch heute, nach dreißig Jahren, sah Kabakov, wenn er sich an die Straße nach Triest erinnerte, den mageren,
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