Schwarzer Sonntag
daß gerade die Frau, die Sie in Nadscheers Wohnung gesehen haben, diejenige ist, die das Band besprochen hat?«
»Weil Nadscheer noch keine Zeit gehabt hatte, es an einen sicheren Ort zu bringen«, antwortete Kabakov. »Nadscheer war kein unvorsichtiger Mann.«
»Immerhin war er nicht vorsichtig genug, zu verhindern, daß Sie ihn töten konnten«, sagte Fowler.
»Nadscheer hat sich lange gehalten«, sagte Kabakov. »Sehr lange. Lange genug, daß München geschehen konnte, das Massaker im Flughafen Lod ... Zu lange. Wenn Sie jetzt nicht aufpassen, werden Sie erleben, daß die Arme und Beine von Amerikanern durch die Luft fliegen.«
»Wieso nehmen Sie an, daß der Plan jetzt, nach Nadscheers Tod, noch weiterverfolgt wird?«
Corley blickte von der Büroklammer, die er eingehend gemustert hatte, auf und antwortete Fowler an Kabakovs Stelle.
»Weil das Tonband eine gefährliche Sache war. Das Besprechen des Bandes muß so ziemlich der letzte Schritt gewesen sein. Die Befehle dürften schon vorher erteilt worden sein. Habe ich recht, Major Kabakov?«
Kabakov merkte, wenn er es mit einem erfahrenen Fragesteller zu tun hatte. Corley hatte die Rolle des Fürsprechers übernommen.
»Genau«, sagte er.
»Eine solche Operation könnte in einem anderen Land vorbereitet und erst in letzter Minute hier in Gang gesetzt werden«, sagte Corley. »Warum meinen Sie, daß die Frau hier stationiert ist?«
»Nadscheers Wohnung ist längere Zeit von uns überwacht worden«, erklärte Kabakov. »Und diese Frau ist weder vor noch nach der Nacht unseres Überfalls in Beirut gesehen worden. Zwei Linguisten im Mossad haben das Band unabhängig voneinander analysiert und sind beide zu dem gleichen Schluß gekommen: sie hat ihr Englisch als Kind von einem Briten gelernt, muß aber zuletzt ein oder zwei Jahre lang von amerikanischem Englisch beeinflußt worden sein. Und in dem Zimmer wurde in Amerika hergestellte Kleidung gefunden.«
»Vielleicht war sie nur ein Kurier und hat letzte Instruktionen von Nadscheer entgegengenommen«, sagte Fowler. »Derartige Weisungen könnten überall weitergegeben werden.«
»Wenn sie nur ein Kurier wäre, hätte sie Nadscheer nie persönlich zu Gesicht bekommen«, erwiderte Kabakov. »Der ›Schwarze September‹ ist aufgeteilt wie ein Wespennest. Die meisten seiner Agenten kennen nur ein oder zwei Kontaktleute.«
»Warum haben Sie die Frau nicht auch getötet, Major Kabakov?« fragte Fowler, ohne Kabakov anzusehen. Hätte er ihn angesehen, würde er Kabakovs Blick sicher nicht lange standgehalten haben.
Jetzt sprach zum erstenmal der israelische Botschafter. »Weil zu jenem Zeitpunkt kein Grund bestand, sie zu töten, Mr. Fowler. Ich hoffe, es kommt nicht so weit, daß Sie eines Tages wünschen, er hätte es getan.«
Kabakov blinzelte einmal kurz mit den Augen. Diese Männer erkannten die Gefahr nicht. Sie beachteten seine Warnung nicht. In Gedanken sah er arabische Truppen in ihren Panzern durch die Wüste Sinai donnern, in die Städte eindringen und die jüdische Zivilbevölkerung zusammentreiben. Weil es keine Flugzeuge mehr gab. Weil die Amerikaner einen Schock erlitten hatten. Weil er die Frau verschont hatte. Seine hundert Siege waren Asche in seinem Mund. Der Umstand, daß er unmöglich hatte wissen können, welche Bedeutung diese Frau hatte, war in seinen Augen nicht die geringste Entschuldigung. Seine Mission in Beirut war kein perfektes Unternehmen gewesen.
Er starrte in Fowlers schwammiges Gesicht. »Haben Sie ein Dossier über Hafez Nadscheer?«
»Er erscheint in unseren Akten auf einer Liste von Offizieren der El-Fatah.«
»Meinem Bericht liegt ein kompletter Dossier über ihn bei. Sehen Sie sich die Bilder an, Mr. Fowler. Sie sind nach einigen von Nadscheers früheren Unternehmungen aufgenommen worden.«
»Ich habe Greueltaten gesehen.«
»Bestimmt nicht solche wie diese«, entgegnete Kabakov mit erhobener Stimme.
»Hafez Nadscheer ist tot, Major Kabakov.«
»Das macht die Sache nicht besser! Wenn wir diese Frau nicht finden, Mr. Fowler, wird der ›Schwarze September‹ Sie mit der Nase in die Scheiße stoßen.«
Fowler sah zu dem Botschafter hinüber. Er schien zu erwarten, daß Mr. Tell eingriff. Aber die kleinen, klugen Augen des Botschafters blickten ihm fest ins Gesicht. Er hielt zu Kabakov.
Als Kabakov wieder sprach, tat er es mit fast zu ruhiger Stimme. Leise sagte er: »Sie müssen mir glauben, Mr. Fowler.«
»Würden Sie die Frau wiedererkennen, Major Kabakov?« fragte
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