Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
Vom Netzwerk:
mit einem kleinen trotzigen Murren. Die geschlossene Außentür war wie eine Barrikade. Der Dämon war ausgesperrt.
    Einer der anderen Hausbewohner klapperte die Treppe herunter. Ein Mädchen in rotem Mantel. Rachaela überlegte, ob sie sie aufhalten sollte, um mit ihr über den Niedergang ihres Hauses zu diskutieren. Doch das Mädchen wirkte irgendwie irreal. So jung und modern, dass sie kaum zu existieren schien, ein ovales Gesicht, glatt, keinerlei Anzeichen von Lebensspuren.
    Rachaela ließ sie vorbeigehen und öffnete die Tür zu ihrer Wohnung.
    Das Licht schien bizarr, der Regen verlieh ihm eine grünliche und elektrische Atmosphäre. Die Wände tanzten. Sie sehnte sich nach dem warmen, rundlichen Körper der Katze, die sie jetzt aufgeweckt hätte, um ihr Gesicht in das weiche Fell drücken zu können, das immer irgendwie nach Kräutern und Leben gerochen hatte. Doch die Katze war nicht mehr da, nur ihr Geist, eine von müden Augen vorgegaukelte Sinnestäuschung, schien sie immer noch gleichgültig heimzusuchen.
    Rachaela zog ihren Mantel aus und hängte ihn an den Haken. Sie zerrte die Stiefel von ihren Füßen, setzte sich auf die Kante eines Sessels und öffnete den Umschlag mit einem bronzefarbenen Brieföffner, der aussah wie ein Dolch.
    Dickes, weißes Papier.
    Der Brief war nicht handgeschrieben, als wüssten sie, dass sie ihre Handschrift nicht lesen konnte oder wollte. Keine Möglichkeit sich blind zu stellen. Zu kurz angebunden, um einfach darüber hinwegzugehen.
    Liebe Miss Smith,
    Sie werden inzwischen wissen, dass wir Sie ausfindig gemacht haben und sehr darauf bedacht sind, Sie kennenzulernen. Bitte geben Sie uns die Gelegenheit dazu. Ihre Mutter wusste nur sehr wenig über die Familie, und Ihr Vater hat Sie, wie wir sehr wohl wissen, im Stich gelassen. Geben Sie uns die Chance zu einer eventuellen Wiedergutmachung. Die Familienbande sind sehr komplex, und wir werden nicht versuchen, sie hier zu beschreiben, hoffen aber, dass wir irgendwann in der Zukunft einmal die Möglichkeit haben werden, Ihnen alles persönlich zu erklären.
    Unser Name ist natürlich nicht der, den wir unseren Agenten nannten, sondern, wie Sie schon richtig geraten haben, » Scarabae « . Der Name, auf den auch Sie ein Anrecht haben. Wie Mister Soames Ihnen wahrscheinlich mitgeteilt hat, werden sämtliche Reise- oder anderweitige Kosten, die Sie aufwenden müssen, um Ihre Angelegenheiten zu regeln, von uns getragen.
    Wir hoffen, bald von Ihnen zu hören.
    Der Brief war mit einem kühnen » Scarabae « unterschrieben. Keinerlei Initialen eines Vornamens. Eine dynamische Kollektivbezeichnung, die rein gar nichts preisgab.
    Es gab keine Adresse. Im Briefkopf stand einzig » Das Haus « und das Datum dieses Winters.
    Rachaela blickte instinktiv auf das nicht angezündete elektrische Feuer. Ihr erster Impuls war, den Brief zu verbrennen. Stattdessen saß sie eine Dreiviertelstunde einfach nur da und hielt ihn in der Hand, in der eiskalten Wohnung, während der Regen auf den Fensterscheiben und Wänden tanzte, als wolle er sie verschlingen.
    » Ja, ich habe meine Meinung geändert.«
    » Ich freue mich wirklich außerordentlich, Miss Day«, strahlte Soames. » Ich bin sicher, dass Sie eine weise Entscheidung getroffen haben.«
    Nachdem Rachaela dieses Telefonat erledigt hatte, rief sie bei Mister Gerard an.
    » Es tut mir leid, aber ich werde nicht bis Ende des Monats bleiben können.«
    » Oh, das ist nun wirklich nicht sehr fair.«
    » Sie haben mich entlassen. Welchen Unterschied macht das schon für Sie.«
    Mister Gerard begann, sie ausführlich über eben diesen Unterschied zu informieren; er brüllte. Rachaela legte auf. Vier Tage später traf ein Scheck ein. Er hatte ihr weder ein Extramonatsgehalt noch einen Cent über den letzten Tag hinaus, an dem sie zuletzt für ihn gearbeitet hatte, einen Freitag, bezahlt. Er würde den Samstagsansturm der zwei Kunden nun allein bewältigen müssen.
    Sie wanderte in der winzigen Wohnung umher, putzte sie ein letztes Mal. Falls sie zurückkehrte, würde es die Wohnung nicht mehr geben. Sie würde ihr Mobiliar irgendwo einlagern, die Scarabae konnte dafür bezahlen.
    Jeden Tag wurde die Wohnung jetzt mehr zu einem Gefängnis. Sie konnte sich zu nichts anderem aufraffen, als ihre zwei neuen Koffer zu packen und die wenigen Überbleibsel für den Flohmarkt herzurichten. All ihre Pflanzen waren ohnehin eingegangen, sie hatte einfach kein Händchen dafür. Die Katze war gestorben. Sie

Weitere Kostenlose Bücher