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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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wiederum das blasse Muster auf weißen Bodenfliesen. Ein schwarzes Rechteck in der Dunkelheit, eine zweite Tür innerhalb der ersten, sie entdeckte schließlich einen altmodischen Türknauf, eine Kugel, die sich drehen ließ, als sie danach griff. Auch die Innentür stand offen. Ein schwaches rotes Licht erschien, so gegenstandslos, so ungreifbar wie das Flackern einer ersterbenden Kerze.
    Sie musste sich in dieses Spinnennetz aus Zwielicht vorwagen. Oder in der kalten und flüsternden Dunkelheit verharren.
    Hinter der zweiten Tür tat sich eine riesige, weite Fläche auf, eine Halle oder Lobby mit einem Schachbrettmuster aus rostfarbenem und schwarzem Marmor auf dem Boden. Ein großer, offener Raum mit massigen Schatten, die alles Mögliche bedeuten konnten: Korridore, Türen, lauernde Bären.
    Auf einem von Staubblumen überzogenen Mahagonitisch brannte eine rubinrote Öllampe, der Docht war heruntergedreht, von der Decke baumelte ein unbeleuchteter schneeflockenförmiger Kronleuchter. Zarte Spinnweben schmückten die Glasprismen des Leuchters, der im Luftzug der geöffneten Tür leise hin und her schaukelte. Lichtperlen der roten Lampe fielen darauf wie Tropfen von roter Tinte.
    Rachaela konnte den Staub des Hauses und seiner modrigen Gewölbe riechen, doch auch die Öllampe verströmte einen seltsamen Duft nach Fell, Kräutern, Puder und unbestimmbaren Tinkturen.
    Sie zerrte ihre Koffer in die Halle und wollte die Tür schließen.
    » Bitte lassen Sie sie offen«, bat eine leise, weiche Stimme. Sie drehte sich hastig um. Eine dürre, kleine Gestalt, ein Mann, stand leicht vornübergebeugt am anderen Ende des Lichtscheins.
    » Die Türen bleiben nach Einbruch der Dunkelheit immer etwas geöffnet.«
    Diese seltsame Aussage brachte Rachaela nur noch mehr aus der Fassung. Sie ließ die Tür los und harrte neben ihren Koffern der Dinge, die da kommen mochten.
    » Ich werde jemanden für Ihre Koffer holen. Gestatten Sie mir, Sie zu dem Zimmer zu führen, das für Sie vorbereitet wurde.«
    » Wer sind Sie?«, fragte Rachaela.
    Im Schein der Lampe sah sie eine Figur in einem altmodischen verlotterten Anzug, ein schmales, blasses Gesicht mit zwei winzigen Äuglein. Graues Haar.
    » Mein Name ist Michael. Ich stehe im Dienste der Familie.«
    » Und Sie kennen mich?«
    Wer sonst hätte schon mit der Dunkelheit hier hereinschneien können?
    » Sie sind Miss Rachaela.«
    » Und … die Familie?«, fragte sie, ihre Hände verkrampften sich nervös.
    » Miss Anna und Mister Stephan werden in Kürze herunterkommen, um Sie willkommen zu heißen.«
    Die flache, sanfte Stimme und was sie sagte, beruhigten Rachaela keineswegs.
    Der Mann nahm die Öllampe auf, ihr Flackern ließ die Schatten erbeben, die Wände schienen auf sie einstürzen zu wollen. Außergewöhnliche Schnitzereien tauchten auf und verschwanden wieder, wenn das Licht über sie hinwegglitt.
    Rechts von Rachaela erschien eine Treppenflucht in der Dunkelheit. Sie betrachtete sie erstaunt. Eine hölzerne Nymphe bewachte den Geländerpfosten, mit blinden Augen hielt sie eine reich verzierte Lichtfassung in der Hand. Die Treppe schien sich endlos emporzuwinden, in ihrer Mitte lag ein roter Teppichboden, dessen Farben die Öllampe zum Glühen brachte.
    Im magischen Schein des Lichts erklommen sie die Stufen. Rachaela zählte zweiundzwanzig. Hinter ihr wurden die Koffer von der Schwärze der Halle verschluckt. Einzig auf dem Kronleuchter waren immer noch die kleinen roten Tropfen inmitten der Staubschicht zu sehen.
    Sie erreichten einen mit Teppichen belegten Treppenabsatz. Ein Korridor wurde sichtbar, von einer weiteren Öllampe auf einem Sockel erhellt. Diese Lampe hatte einen rosig-weißen Farbton, und plötzlich konnte Rachaela eine Sekunde lang das Gesicht ihres Führers sehen, eine Kamee zwischen Schatten und Feuer. Es war kein junger Mann. Seine Augen starrten ausdruckslos ins Leere, überzogen von einem seltsamen Schleier, ähnlich der Staubschicht auf dem Tisch und den anderen Möbelstücken.
    Sie betraten den Flur, der an einem massigen Bleifenster abbog. Das fleckige Glas zeigte keine Farbe mehr, nur das Dunkel der Nacht. An den Wänden hingen irre Bilder. Der Diener öffnete eine Tür.
    » Das ist Ihr Zimmer, Miss Rachaela.«
    Der grüne und blaue Raum wirkte gotisch, wie das ganze Haus. Eine Lampe mit smaragdgrünem Fuß und durchsichtigem Schirm brannte auf dem Sims eines grün gekachelten Kamins. In seinem Innern fraß sich das Feuer durch einen Holzstapel.

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