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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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Schlafzimmer waren ihre Koffer geräuschlos eingetroffen. Sie wechselte ihren Pullover, zog die Stiefel aus und streifte hochhackige Pumps über. In dem riesigen Kleiderschrank mit seinen von einer feinen Staubschicht bedeckten Mahagonigirlanden und Ornamenten würde sie später ihre wenigen Kleidungsstücke aufhängen. Sie trug keine Farben, sie verletzten sie. Seltsamerweise würde sie durch das Schwarz, das Grau und Beige, das weiche Zartgrün und Blau auf ewig mit diesem Raum in Verbindung gebracht werden.
    Und erneut empfand sie die Endgültigkeit und Dauerhaftigkeit ihrer Ankunft und deren Erregung. Diese Gefühle machten ihr Angst, doch für irgendwelche Skrupel war es jetzt zu spät. Sie hatte angeklopft, und sie hatten ihr die Tür geöffnet.
    Sie puderte ihr Gesicht in ihrem eigenen Spiegel und zog den Kajalstrich um ihre Augen nach. Nachdem sie auch noch ihr Haar gekämmt hatte, ging sie zur Tür. Und hielt inne.
    Sie hatte die Ankunft der Koffer nicht mitbekommen, doch jetzt lief jemand unüberhörbar den Korridor entlang. Es war eine seltsam rhythmische und doch ungleichmäßige Gangart. Dann hörte sie die Stimme, hoch und übermütig.
    » Hottehü, Hottehü!«
    Rachaela musste an ein Kind denken, das auf einem imaginären Pferd ritt. Ein größeres Kind, das auf dem Korridor spielte. Sie vernahm ein leises Scharren. Das Pferd bäumte sich auf, » Brrr!«, galoppierte vorbei und verschwand. Rachaela öffnete die Tür mit einem Ruck. Ein schwarzer Schatten vollführte wilde Bocksprünge am Ende des Ganges, bevor er aus ihrem Blickfeld verschwand.
    Etwas lag vor ihrer Tür.
    Rachaela bückte sich und berührte mit einem Finger den Körper einer perfekten kleinen Maus mit sehr langem Schwanz. Sie war tot, ohne Anzeichen einer äußeren Verletzung. Um den kleinen Körper war eine Schleife aus verblichener, pinkfarbener Seide gebunden.
    Rachaela hob das › Geschenk ‹ auf. Sie empfand keinen Ekel. Die Maus war weich und mitleiderregend, in ihrem Tod so wunderschön wie ein Spielzeug. Sie legte sie auf die Frisierkommode, nahm ihre Tasche und betrat den Gang.
    Im Erdgeschoss waren überall Lampen und Kerzen zum Leben erwacht. Sie sah Türen an den Wänden des Ganges, eine davon wirkte mit ihrem schwarzen Eisenrahmen wie eine Tür aus einem Schloss. Auf dem Marmorboden schwammen lodernde Flammen. Ein Bogengang führte in ein Wohnzimmer, ein Raum von immenser Größe, angefüllt mit wunderbaren, düsteren Möbelstücken und fein gewobenen Spitzenvorhängen aus Staub. Die Scarabae lebten in einer Wüste aus Staub, reinigten nur, was unbedingt notwendig war, da hier und da ein Tisch wie ein schwarzer Spiegel glänzte.
    Ein Feuer war in der Mitte eines Kamins aus weißem Marmor entzündet worden, eisig flankiert von weißen Säulen und heraldischen Schilden.
    Niemand befand sich in dem Raum, er schien voller Erwartung.
    Rachaela spürte, wie der Raum sie aufnahm und über ihrem Kopf zusammenschlug. Das Meer rauschte hier viel lauter.
    Zumindest einer von ihnen musste wahnsinnig sein – der mysteriöse Reiter, Überbringer von toten Mäusen. Es war die Stimme eines Mannes gewesen, schrill und geisterhaft zwar, aber männlich. Konnte es Mister Stephan gewesen sein, der vorbeigeritten war?
    Ein Geräusch.
    Michael, der Diener der Scarabae, erschien mit einem silbernen Tablett, auf dem Flaschen und Karaffen glitzerten. Er stellte es auf dem staubfreien Tisch ab. Rachaela fühlte sich an eine aufwendige Werbeszene erinnert. Durch den Türbogen mussten jetzt zwei elegante und gut gekleidete Menschen treten.
    » Darf ich Ihnen etwas anbieten, Miss Rachaela?«
    Rachaela bat um Wein, und ein Glas wurde gefüllt. Das Kristall war exquisit, der Wein klar und transparent.
    Rachaela trank dankbar, und der Alkohol stieg ihr zu Kopf. Ein elektrisierendes Gefühl ließ sie herumfahren.
    Durch irgendeine andere Tür oder einfach aus dem Nichts waren zwei Gestalten aufgetaucht. Sie standen Seite an Seite.
    Sie waren sehr alt, dürr wie verdorrte Zweige, eine weibliche und eine männliche Person, und an der Grenze zu dem Alter, in dem die Geschlechter eigentlich miteinander verschmelzen. Doch diese beiden hatten sich ihre Verschiedenheit erhalten. Das Haar der Frau war metallgrau und türmte sich hoch auf ihrem Kopf, zusammengehalten von vergilbten Perlenkämmen. Ihr altes, dunkles Kleid sah aus, als stamme es aus einem Second-Hand-Laden für exklusive Garderobe in der Stadt, und hing bis zu ihren Knöcheln hinab. Ihre Schuhe

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