Schwarzer Tanz
Bewegung. Ich kann mich auf nichts konzentrieren. Ich habe mein Strickzeug mitgebracht. Stricken Sie? Aber mir fallen immer wieder Maschen herunter. Ich stricke ein Jäckchen für meine Enkeltochter. Ein sehr modisches Muster. Ich kann Ihnen mein Enkelkind zeigen. Ich habe immer ein Foto bei mir. So ein nettes Kind. Überhaupt nicht wie meine Tochter. Geht mehr nach der Familie meiner Mutter. So hübsches Haar. Ein ganz natürliches Blond. Selbstverständlich wird es nachdunkeln. Ich habe es nie zugelassen, dass meine Tochter etwas mit ihren Haaren anstellt. Man soll so bleiben, wie Gott es bestimmt hat.«
Lass es schneiden, sagte Rachaelas Mutter, lass dir eine nette Frisur machen. Dann kommst du leichter damit zurecht.
Das Foto wurde hervorgezogen und Rachaela überreicht. Ein fettes, blasses Kind, mit gelben Haaren, lächelnd, die Oberlippe mit Marmelade verschmiert, oder es hatte auch noch einen roten Schnurrbart.
» Ja«, sagte Rachaela.
» Haben Sie Kinder?«
» Nein«, sagte Rachaela.
» Schade, denke ich immer, wenn man sie nicht kriegt, solange man jung ist. Das ist die beste Zeit. Ich bekam meine Janet, als ich achtzehn war. Und dann John und Kieran. Ich liebe Kinder, Sie auch?«
Rachaela antwortete nicht.
Felder und Hochspannungsmasten zogen vorüber. Im Hintergrund Häuser mit karmesinroten Dächern. Ein weit entfernter Fluss, an dessen Ufer ein Schloss stand. Oh, dort sein zu können, ein Ziel zu haben. Für sie gab es nur London. Und bis dahin diese Frau.
» Beeil dich und sieh zu, dass ich ein Enkelchen bekomme, habe ich zu ihr gesagt. Oh, Mami, hat sie gesagt, ich bin doch erst zwanzig. Ich habe dich gekriegt, als ich achtzehn war, sage ich. Ich nehme an, Sie warten auf den Richtigen«, sagte die Frau zu Rachaela. » Mein Martin und ich, wir sind schon seit vierundzwanzig Jahren zusammen. Das perfekte Paar, hat meine Schwester immer gesagt. Ich wünschte, hat sie gesagt, dass ich deinen Martin und deine lieben Kinder abgekriegt hätte. Was glauben Sie, hätten Sie lieber, meine Liebe, einen Jungen oder ein Mädchen als erstes Kind? Ein Mädchen ist immer besser. Hält die Jungs im Zaum. Wie eine zweite Mutter war sie, meine Janet.«
Rachaela stand auf. Die Frau war nicht beleidigt. Ihr Universum umfasste nur eine Person, die restliche Menschheit bildete nur die Ersatzmannschaft, erfolgreich oder nicht.
Rachaela bahnte sich ihren Weg zur Toilette.
Das Schloss war schon etwas abgenutzt. Sie verriegelte es, beugte sich mit einiger Schwierigkeit über die schwankende Schüssel, und erbrach farblose Flüssigkeit aus ihrem leeren Magen.
War das letztendlich die Wahrheit, schon so früh, der Beweis der Tatsachen? Nicht der Zug, nicht London, sondern das hier?
Als ihr Kopf wieder klar wurde, lehnte sich Rachaela gegen die Wand. Sie spülte herunter und ließ kaltes Wasser ins Waschbecken laufen, um ihr Gesicht, ihre Hände und Handgelenke einzutauchen.
Sicherlich zu früh, um in Panik auszubrechen.
Es war nur Angst.
10
An der Wand hing ein Poster mit einer blutenden Rose. Tetanus: es muss nicht immer ein rostiger Nagel sein, stand darunter zu lesen. Eine handgeschriebene Notiz besagte: » Wenn Ihnen oder Ihrem Kind übel wird, sagen Sie es bitte der Sprechstundenhilfe.«
Das Sprechzimmer war überfüllt, ein Seuchennest. Kinder niesten und weinten und hatten Fieber. Männer und Frauen husteten und putzten ihre Nasen; blaue Viren wurden aus ihren Mündern in den eiskalten Raum gekeucht. Es gab harte Stühle und wenig Zeitschriften. Man wurde nicht ermutigt zu kommen.
Der Summer ertönte wütend. Wer würde es wagen, der Nächste zu sein.
» Miss Day? Hier entlang, bitte.«
Rachaela betrat den ziemlich weiträumigen Behandlungsraum; Doppelfenster über einem Garten.
Der Mann trug Anzug und Krawatte. Er war schlank und durchtrainiert, mit ordentlich gekämmtem, schütterem Haar. Er gab Rachaela ein ordentliches und eisernes Lächeln. » Was kann ich für Sie tun?«
Rachaela setzte sich auf den Stuhl, auf den er deutete.
» Ich brauche eine Abtreibung.«
Der Doktor legte sein Lächeln ab und zog die Augenbrauen in die Höhe.
» Spannen wir den Wagen nicht vor das Pferd? Sie glauben also, dass Sie schwanger sein könnten. Was führt Sie zu dieser Annahme?«
» Meine Periode hat ausgesetzt. Mir ist schon mehrere Male übel geworden.«
» Wie viele Perioden sind ausgeblieben?«
» Zwei.«
» Haben Sie eine Morgenurinprobe mitgebracht?«
» Ich habe einen Schwangerschaftstest
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