Schwarzer Tanz
saß auf dem Boden am Straßenrand.
Sie hielt Ausschau nach dem Auto.
Das Dorf um sie herum erwachte allmählich zum Leben, in manchen Fenstern gingen Lichter an und verlöschten wieder, als es heller wurde. Eine Frau kam aus einem der Häuser und schüttete allem Anschein nach Tee aus einer Kanne um den Strunk eines Busches. Eine andere Frau hängte Wäsche auf eine Leine – geschmacklose Bettwäsche und düstere Hemden.
Ein Auto oder zwei – nicht die richtigen – fuhren auf der Straße in Richtung Stadt. Ein Hund bellte.
Das Dorf war, wie sie schon angenommen hatte, eine Müllhalde, in der die Zeit mit irgendwelchen seltsamen Unterfangen totgeschlagen wurde.
Von den Scarabae verseucht.
Doch das Auto würde kommen. Das Auto verspätete sich. Es war halb zehn, und das Auto war noch nicht da. Rachaela stand auf. Hatte sich der Mann verfahren?
Der Mann hatte sich nicht verfahren. Ein alter grüner Ford Zodiac tauchte auf und fuhr auf das Dorf zu. Er kam an Rachaela vorbei und hielt vor dem Gasthof.
Rachaela rannte.
» Ich muss den Zehn-Uhr-fünfundvierzig in der Stadt erwischen.«
» Ich bezweifle, dass Sie das schaffen, Miss«, sagte der Fahrer mitfühlend.
» Sie kommen zu spät.«
» Der Verkehr, wissen Sie. Sie hätten das Auto früher bestellen sollen, Miss.«
» Das habe ich.« Sie stieg ein. » Können Sie es versuchen?«
» Wollen Sie nach Purrli?«
» Nach Purrli, ja. Und dann nach London.«
» Am besten fahre ich Sie direkt nach Purrli. Wird Sie ein wenig mehr kosten, aber dann kriegen Sie den Elf-Uhr-fünfzehn nach London ganz bestimmt noch.«
» Also schön. Dann tun Sie das«, verlangte sie kühn.
» Sie verstehen schon, ich will Ihnen nur helfen.«
» Fahren Sie nach Purrli.«
» Ich möchte nicht, dass Sie denken, ich wollte nur mehr Geld rausschlagen.«
» Es spielt keine Rolle. Wenn ich nur den Zug erwische.«
Das Dorf fiel zurück und verschwand. Endlich war der Moment der Trennung gekommen. Das Auto raste die Straße entlang. Einen Moment lang empfand Rachaela irrsinnige Freude. Als ob sie ihre ganzen Probleme zurücklassen könnte. Doch die fingen gerade erst an.
Der Fahrer war äußerst gesprächig. Sie ließ ihn plappern und warf ab und zu ein passendes Wort ein. Er wollte ihr seine Lebensgeschichte erzählen, nicht ihre hören. Vielleicht hatte er gelogen, und sie hätte den Zug gar nicht verpasst. Er hatte vier Kinder, zwei Eltern und eine erzfaule Schwester.
In derselben Farbe wie das Auto, grüngrau, huschte die Landschaft vorüber. Sie kamen an Häusern und Feldern und einer Anzahl herausgeputzter Gasthöfe vorüber, die alle den Stempel der Scarabae trugen. Aus den Wiesen ragten malerische Kirchen mit schiefen Grabsteinen. An manchen Bäumen wuchsen zarte Blüten wie hauchdünne Brautschleier. Auch hier begann der Frühling. Die Monate hatte sie ebenfalls vergessen. War es März?
Sie fuhren auf Landstraßen, bogen auf eine Autobahn ab und verließen sie wieder. Es war zehn Uhr fünfunddreißig. Mit Sicherheit zu spät für den Zug.
Auf einem Schild stand zu lesen : Porlea 6 Meilen.
Rachaela hätte beinahe gelacht.
Vielleicht würde sich alles so ändern wie die Namen, wenn sie ihrem Netz einmal entkommen war.
Niemand stand auf dem Bahnsteig, um den verabscheuten Zug nach London zu nehmen, doch der Mann am Fahrkartenschalter hatte ihr versichert, dass alles seine Ordnung hätte, zumindest in den gewohnten Bahnen verlaufen würde.
Der Bahnhof war hell und freundlich, voll rotem Plastik, doch in den Abfallkörben lagen Kartons, und eine zerknautschte Zeitschrift war auf einem der Sitzplätze liegen geblieben.
Vögel flogen über den Schienen hin und her.
Dann kam der Zug, riesig, schmutzig und wahrhaftig.
Eine Ansage aus dem Lautsprecher informierte den verlassenen Bahnsteig und Rachaela, dass dieser Zug über Sonstwo nach London fuhr, mit Verbindung nach Irgendwo, und wen kümmerte das überhaupt? In ekstatischem Egoismus bestieg sie den magischen Zug.
Er war ziemlich überfüllt, aber Rachaela war so überglücklich, dass ihr das nichts ausmachte. Sie fand einen Sitzplatz und stellte ihre Tasche zu ihren Füßen ab.
Gott sei Dank, Gott sei Dank.
Mit einem gleitenden Vorwärtsrucken gewann der Zug an Wahrhaftigkeit. Er trug sie fort. Alles würde in Ordnung kommen. Die Frau mit dem Einkaufskorb auf ihrem Schoß startete ihren fünften Versuch bei Rachaela.
» Finden Sie nicht auch, dass diese langen Zugfahrten eine Plage sind? Es ist diese ständige
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