Schwarzer Tanz
Ort, dieses Fleckchen Erde.
Möglicherweise wird etwas geschehen, hatte Anna gesagt.
Sie hatte die Schwangerschaft gemeint.
War es falsch, es umzubringen? Es war ein Monster.
Rachaela stieg die inmitten der stürmischen Dunkelheit gut beleuchtete Treppe des Hauses hinunter und entdeckte eine Frau, die aus einer Tür getreten war, eine Nachbarin aus dem Stockwerk unter ihr.
» Oh, Miss Day. Ich habe das aus Versehen mitgenommen. Ich fürchte, es ist nur Reklame, aber es ist an Sie adressiert.«
Rachaela nahm den Glanzpapierumschlag in Empfang.
» Vielen Dank.«
» Heutzutage kann man nie wissen. Vielleicht ist es etwas, das Sie gerne hätten.«
Die Frau war übermäßig freundlich. Ihr Haar war von einem ergrauenden Blond, sehr dick und zottelig. Sie hatte ein eckiges Gesicht und große, braune, lächelnde Augen. Sie wollte mit ihr Freundschaft schließen.
» Wie gefällt Ihnen die Wohnung?«, fragte sie.
» Prima.«
» Mir kommt sie so klein vor«, sagte die Frau. » Na ja, ich konnte ja auch über die Jahre hinweg allerlei Krimskrams ansammeln.«
Rachaela wartete, ihr Herz trommelte, und ihr Magen krümmte sich angesichts der Herausforderung der Straße und der Nacht.
» Nun, ich sollte Sie nicht aufhalten. Passen Sie auf sich auf«, fügte sie freundlich hinzu, » es ist eine verdammt hässliche Nacht.«
Rachaela lief die Treppe hinunter und verstaute die Reklamesendung in ihrer Handtasche.
Draußen vor der Tür vergaß sie die Frau wieder. Der Wind blies ihr hart ins Gesicht, der Himmel drohte unter einer dunkelblauen schwärenden Wolke zu ersticken.
Rachaela lief die Straße hinunter und erwischte an der Ecke einen Bus. Er wand und schlängelte sich durch die Straßen und brachte sie in einen unheimlichen und verkommenen Vorort, unter den gelben Laternen öde und leer.
Wo sie ausstieg, waren die Gebäude abgerissen worden, riesige Wände aus Wellblech, mit Plakaten überklebt, trennten sie von gähnenden Abgründen. Sie lief an der lärmenden Kneipe vorüber, die man ihr beschrieben hatte, und einen Hügel hinauf, auf dem sich die Häuser der Sozialwohnungen mit ihren falschen Fensterläden bestückt, drängten. Gärten, überfüllt mit Zwergen, und Windmühlen, deren Flügel in dem Sturm herumwirbelten. Die Straße endete in Ödland. Einige Jugendliche in Lederjacken und Tennissocken hielten auf dem trübsinnigen Gras ein Treffen ab. Einer von ihnen brüllte zu Rachaela hinüber, ein Ritual der Boshaftigkeit. Sie marschierte weiter und erreichte ein einstöckiges Gebäude, von einem Kranz aus Stacheldraht umgeben. Sie ging durch das Tor und über den bröckelnden Boden. Sie öffnete eine Tür und betrat eine weitläufige, finstere Halle mit hohl klingendem Holzboden.
Die Luft war heiß und abgestanden, der Raum überfüllt, die Reihen der Holzstühle an den Wänden besetzt mit Frauen in allen Altersstufen, holde Maid bis hin zu altem Weib. Es war ein Ort der Frauen, ein spöttischer, leicht angeschmuddelter Verein. Aus der gelben Tür trat ein Mann in weißem Mantel, und die Augen seines Bittstellerharems fixierten ihn; das Klicken der Stricknadeln verstummte, und das Rascheln von umgeblätterten Zeitschriftenseiten hörte auf. Er alberte kurz mit einer Frau in lila Strickjacke an einem Schreibtisch und verschwand wieder, wie ein Gott.
Rachaela ging auf den Schreibtisch zu.
» Ich habe einen Termin für sieben Uhr.«
» Oh, ja. Miss Day, nicht wahr? Richtig. Wenn Sie mir bitte nur kurz Ihre Adresse mitteilen würden.« Die Frau notierte sich die Einzelheiten, und die in ihrer Nähe sitzenden Frauen lauschten. Ein blässliches Mädchen mit runden Froschaugen beobachtete Rachaela und steckte sich ein süßes Bonbon in ihren rosigen, fettigen Mund. » Ich fürchte, wir sind heute etwas hintendran. Es könnte sein, dass Sie etwas warten müssen.«
» In Ordnung.« Rachaela verließ die Frau und fand einen Stuhl am Ende der langen Reihe.
Ungefähr dreißig Frauen vor ihr. Sicherlich waren manche zusammen gekommen. Es war zehn vor sieben.
Die Froschprinzessin saß der gelben Tür am nächsten. Wahrscheinlich würden sie, wenn jemand hineinging, alle einen Platz aufrücken, intim die Hitze der vorherigen Stuhlbesetzerin fühlend. Wir sind alle Frauen. Wir sind verpflichtet, uns selbst zu schützen. Das Kondom und die Pille, das Kratzen des Spatels, der sich einen Abstrich von uns holt, um uns vor fremdem Samen und Krebs zu bewahren. Wir sind die Verantwortlichen.
Doch manche der Frauen hatten
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