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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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kommen, aber er wird sich selbst bald dafür hassen. Und du wirst diejenige sein, die für seinen Selbsthaß bezahlen muß.«
    »Mir bleibt keine andere Wahl. Er kann Jan und Hannah beschützen.«
    »Glaubst du das wirklich? Wenn Brandt Jan morgen auswählt, was willst du dann tun? Wenn Schörner einen Befehl mißachtet, würde Brandt ihn ohne zu zögern vor ein Erschießungskommando stellen. Er sagt dir einfach alles, was ihn zwischen deine Beine läßt. Wie alle Männer.«
    »Er hat mich ausgesucht, schon vergessen? Wir wollen nicht mehr darüber reden.«
    Frau Hagan warf frustriert die Hände in den Himmel. »Du hörst doch sonst immer auf meinen Rat, nur in dieser Sache nicht! Denkst du denn wirklich, daß ich so was noch nicht erlebt habe? Wie glaubst du wohl, habe ich so lange überlebt?«
    Rachel sah sie an. »Das würde ich wirklich gerne wissen.«
    »Jedenfalls habe ich nicht das getan, was du tust, oder der Schuhmacher. Hör zu: 1940 wurde ich mit 700 anderen Polen aus Tarnow nach Oscweicim transportiert, das die Deutschen Auschwitz nennen. Wir haben dieses Lager gebaut. Wir haben die ganze Zeit gegraben, ohne Wasser oder Essen zu bekommen, und nur die Stärksten haben überlebt.
    Dort bin ich Kommunistin geworden. In Buna haben wir eine Fabrik für synthetisches Gummi gebaut. Sie nannten es Auschwitz Drei, und es war die Hölle auf Erden. Dort gab es einen Mann namens Spivack, ein Pole aus Warschau. Er war klein, aber drahtig wie ein Affe. Ich habe mit ihm zusammengearbeitet und Ziegel und Zement geschleppt. Nach einer Woche wußte ich, daß er der härteste Mann war, den ich jemals kennengelernt habe. Am Ende des Tages, wenn die großen Ochsen längst umgefallen waren, arbeitete er immer noch. Es war sein Verstand, verstehst du? Er war ein Kommunist. Nur der Tod konnte ihn besiegen.«
    Frau Hagan wedelte mit dem Finger vor Rachel herum. »Es waren die deutschen Kommunisten, die Hitler am Anfang aufhalten wollten; aber die Deutschen hatten Angst vor dem Marxismus -, selbst die deutschen Juden. Alles Feiglinge. Sie fürchteten sich davor, ihre bürgerliche Gemütlichkeit zu verlieren.« Die große Polin lachte bitter. »Wo hat ihre bequeme Gemütlichkeit sie hingebracht, hm? Den Schornstein hoch, dahin.«
    »Was ist mit Spivack passiert?«
    Frau Hagan zuckte mit den Schultern. »Ich wurde hierher verlegt. Aber ich sage dir eins: Er hat nicht zugelassen, daß die SS ihn wie einen Hund behandelte. Selbst einige dieser Mistkerle haben ihn respektiert, weil er soviel Bestrafungen aushielt. Das habe ich auch getan, und ich bin immer noch hier. Immer noch am Leben. Aber du, Meisje, du reitest auf dem Rücken des Tigers.«
    »Nicht alle sind so stark wie Sie«, erwiderte Rachel. »Ich kann niemanden hier verurteilen.«
    »Rachel! Hagan! Schnell!«
    Eine ältere Frau stürzte in die Gasse zwischen dem Krankenhaus und dem E-Block. Frau Hagan rief ihr zu, langsam zu gehen, doch die Alte rannte zu ihnen und packte Rachel am Kleid.
    »Sie haben Jan! Schnell!«
    Rachel wurde plötzlich ganz heiß. »Was?«
    »Einer von Sturms Hundeführern hat den Jungen geholt! Ich konnte nichts dagegen tun!«
    Rachel packte die Frau am Arm. »Und Hannah?«
    »Die ist in Sicherheit.«
    »Wo ist der Junge jetzt?« fragte Frau Hagan.
    »Sie haben ihn zu den Zwingern gebracht.«
    Rachel wollte loslaufen, doch Frau Hagan hielt sie am Oberarm fest. »Wenn du rennst, bekommst du eine Kugel in den Rücken.«
    »Ich muß zu ihm!«
    »Du mußt auch sehr vorsichtig sein. Sturm hat das sehr gut geplant, glaube ich.«
    »Was meinst du damit?«
    »Brandt ist nicht da, und Schörner ist heute morgen nach Dornow gefahren. Das sind zuviele Zufälle.«
    »Schörner ist nicht da?« Rachel hatte das Gefühl, in Ohnmacht fallen zu müssen. »Meine Güte, was soll ich tun?«
    »Ich weiß es nicht.« Frau Hagan preßte die Zähne aufeinander. »Aber ich komme mit.«
    Als Rachel um die Ecke der SS-Baracke bog, sah sie Jan mit dem Rücken zu den Hundezwingern stehen. Hauptscharführer Sturm hockte vor ihm, und sein breites Gesicht befand sich unmittelbar vor dem des kleinen Jungen. Jan weinte. Ein SS-Mann stand etwas abseits und zielte mit der Maschinenpistole wie zufällig in Richtung des Dreijährigen.
    Rachel schrie auf und lief zu ihrem Sohn. Sturm stand auf und hielt sie fest.
    »Bitte!« schrie Rachel und trat wild um sich. »Lassen Sie ihn gehen!«
    »Moeder! Moeder!« wimmerte Jan.
    Frau Hagan nahm den Jungen in die Arme und wollte loslaufen, doch der

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