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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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wunderschöner sogar. Der arrogante Mistkerl, der ihm seit September auf die Nerven ging, hatte endlich einen Fehler begangen. Er hatte offenbar Gefallen an der kahlen Jüdin gefunden, die wie eine Prinzessin durchs Lager stolzierte, und das machte ihn angreifbar.
    Schörner war bis zu der Nacht, in der Himmler gekommen war, erträglich gewesen. Er hatte Sturm gestattet, das Lager so zu führen, wie er es vor der Ankunft des Sturmbannführers getan hatte. Anfangs hatte es zwar einige Mißverständnisse gegeben, aber Sturm hatte schnell begriffen, daß es für Schörner eine Prinzipienfrage war, nicht von der mißlichen Lage der Gefangenen zu profitieren, und daß es nicht einfach nur darum ging, ihn zu bestechen. Daraufhin hatte Sturm sich bedeckt gehalten und seine Plündereien auf leicht zu versteckende und hochwertige Gegenstände beschränkt ... wie zum Beispiel Diamanten. Die beiden Männer waren zwar persönlich niemals miteinander klargekommen, aber wer sagte denn, daß Offiziere und Unteroffiziere Freunde sein mußten?
    Es war die Schuld des alten holländischen Juden. Er hatte Sturm die Diamanten in dem Moment in die Hand gedrückt, als Schörner herangeschlendert kam und es gesehen hatte. Und natürlich hatte der Sturmbannführer ihm seine früheren Verfehlungen vorgehalten, wie alle Offiziere das nur zu gern tun. Der Mistkerl wollte Sturm unmißverständlich klarmachen, daß er ihn jederzeit wegen Plünderei kassieren konnte.
    Aber jetzt hatte der Strumbannführer selbst einen Fehler begangen. Mit einer Jüdin zu schlafen! Eine im Eifer des Gefechts zu vergewaltigen, war eine Sache, aber das hier war etwas völlig anderes. Sturms Leute hatten ihm berichtet, daß sie schon dreimal gesehen hatten, wie diese Jansen Schörners Quartier spät in der Nacht verlassen hatte. Jetzt blieb nur noch die Frage, wie er sich das zunutze machen konnte.
    Die normale Prozedur war eigentlich, Schörner beim Herrn Doktor zu melden. Aber einen Offizier wegen Verstoßes gegen die Nürnberger Rassengesetze zu denunzieren, war eine heikle Angelegenheit - vor allem, wenn der Mann, bei dem man dies meldete, sich desselben Verbrechens schuldig machte, und zwar in einem noch viel widerlicheren Ausmaß. Sturm hatte schon mit dem Gedanken gespielt, die Befehlskette außer acht zu lassen und Schörner direkt einer höheren SS-Stelle zu melden, vielleicht sogar Gruppenführer Beck in Peenemünde. Aber die Befehlskette zu durchbrechen, war an sich schon ein Verbrechen. Außerdem stammte Schörner aus einer wohlhabenden Familie. Niemand wußte genau, wieviel Einfluß sein Vater in Berlin geltend machen konnte, ganz zu schweigen von dem verdammten Ritterkreuz.
    Nein, es gab nur einen Weg: Sturm mußte sich selbst Genugtuung verschaffen, und er hatte die perfekte Möglichkeit dafür gefunden. Er würde die Jansen zu einer Verzweiflungstat provozieren, und dann wäre es vollkommen korrekt, sie zu erschießen. Brandt würde sich nicht beschweren, und Schörner konnte nichts unternehmen, wenn er nicht zugeben wollte, daß er sich mit einer Jüdin eingelassen hatte. Es wurmte Sturm maßlos, daß er so vorgehen mußte. In jedem anderen Lager hätte er einfach zu Rachel Jansen gehen und sie erledigen können; aber hier mußte er einen guten Grund finden, um eins von Brandts Versuchskaninchen zu vernichten. Und dann waren da auch noch die Diamanten. Es würde ihn die Steine kosten, um das Miststück zu kriegen, aber das war ihm die Sache wert.
    Die Stelle, die Sturm für seinen Hinterhalt ausgewählt hatte, war eine schmale Gasse zwischen den SS-Baracken und den Hundezwingern. Er hatte sich genau die richtige Zeit dafür ausgesucht. Brandt war in Ravensbrück, um sich irgend ein Experiment anzusehen, und Schörner war in Dornow, um die Einwohner nach dem verschwundenen Oberscharführer Willi Gauss zu befragen. Außerdem war es genau die Zeit, in der die Jansen für gewöhnlich mit der Blocksprecherin Hagan eine Runde durchs Lager drehte. Sturms Plan, die Jüdin in die Gasse zu locken, war ganz einfach. Er brauchte nur eins ihrer Kinder. Er entschied sich für den Sohn.
    »Du gräbst dir dein eigenes Grab«, sagte Frau Hagan. »Da kann nichts Gutes bei herauskommen.«
    Während sie ging, hielt Rachel den Blick starr auf den Schnee gerichtet. »Meine Kinder essen gut. Und sie nehmen zu.«
    »Aber wie lange noch? Wie lange wird Schörner das Interesse behalten? Du weißt nicht, wie deren Verstand funktioniert. Schörner war einsam genug, um zu dir zu

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