Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
aufgestanden war.
    »Ganz einfach«, sagte die alte Frau. Sie sprach mit ruhiger Zuversicht. »Das Lager können wir mit einem sinkenden Schiff vergleichen. Der E-Block ist das Rettungsboot. Es gibt ein Gesetz dafür. Vielleicht ist es ein ungeschriebenes Gesetz, aber es ist heilig. Alle kennen es. Frauen und Kinder zuerst. Und die jungen Frauen vor den alten. Diejenigen, die noch Kinder gebären können.«
    Diese Worte sorgten für Ruhe.
    »Sie haben weise gesprochen«, sagte Avram zu der Frau. »Es ist nicht einfach. Aber notwendig.«
    Eine andere Frau stand plötzlich auf. »Was wollen Sie damit sagen?« fragte sie. Sie sprach mit französischem Akzent. »Daß wir uns retten sollen, aber die Zigeunerinnen nicht beachten?«
    »Sie haben uns auch lange genug ignoriert«, mischte sich eine verbitterte Stimme ein.
    »Und die Kinder? Wollen wir die christlichen Kinder sterben lassen? Und die Männer? Haben sie nicht auch das Recht, zu leben?«
    »Natürlich haben sie das«, sagte die alte Frau. »Aber sie haben nicht die Pflicht, zu wählen. Das ist uns zugefallen. Wir können nicht die Meinung aller Gefangenen im Lager einholen. Das Geheimnis könnte nicht gewahrt werden. Es war sehr klug von dem jungen Mann hier, daß er bis zur letzten Minute gewartet hat, bevor er es uns erzählt.«
    »Wußten Sie vor zwei Nächten schon von dem Angriff?« fragte die Französin.
    »Natürlich«, antwortete eine andere Stimme für Stern.
    Avram hob die Hände. »Laßt mich sprechen. Wir haben nur wenige Minuten, und wir würden einen allgemeinen Aufstand hervorrufen, wenn wir es den anderen Blocks erzählten. Tatsache ist, daß der E-Block den einzigen Schutz bietet, und daß er nur wenige aufnehmen kann.«
    Eine der Frauen, die Rachel die neuen Witwen nannte, stand zögernd auf. »Meine Tochter ist im Kinderblock«, sagte sie so leise, daß sie kaum zu verstehen war. »Wenn wir sterben müssen, möchte ich bei ihr sein.«
    »Wir können die Kinder retten«, sagte Stern. »Und einige von euch. Aber wir müssen uns beeilen und die Frage entscheiden.«
    »Einige von uns?« Es war wieder die Französin. »Sie können nicht einmal alle Kinder retten! Und jetzt verdammen Sie auch noch einige von uns?« «, »Sprechen Sie leise!« befahl Stern scharf.
    »Wie viele?« fragte eine bekannte Stimme. Es war Rachel Jansen. »Wie viele können im E-Block überleben? Ich war bereits drin. Er ist sehr klein.«
    »Der E-Block ist entworfen worden, um Tests an bis zu zehn Männern durchzuführen«, erklärte Stern. »Die Zahl, die gerettet werden kann, wird vom Raum und dem Sauerstoffvorrat vorgegeben. Sie werden mindestens für zwei Stunden Sauerstoff benötigen.«
    »Wie viele?« fragte Rachel erneut. »Mehr brauchen wir nicht zu wissen.«
    Stern nickte dankbar für ihre pragmatische Haltung. »50 Kinder«, sagte er. »Alle Kinder aus dem jüdischen Kinderblock.«
    »Und Frauen?«
    Er zögerte. »35.«
    In dem grabartigen Schweigen, das seinen Worten folgte, blickte er auf die Uhr. 19:22. Es dauerte zu lange. Er zog den britischen Schalldämpfer aus seinem Stiefel und schraubte ihn auf den Lauf der Schmeisser. »Besprecht das unter euch«, sagte er. »Ich muß mit meinem Vater allein reden. Aber ich warne euch: Wenn jemand versucht, durch diese Tür zu gehen, habe ich keine andere Wahl als zu schießen.«
    Er ergriff die Hand seines Vaters und führte ihn in die Dunkelheit außerhalb des Frauenkreises.
    »Mutter wird es nicht glauben«, sagte er und setzte sich auf eine schmale Pritsche. »Alle haben versucht uns einzureden, daß du tot wärst. Ich habe ihr das selbst erzählt.«
    »Ich war tot«, sagte Avram Stern und setzte sich neben ihn.
    »Das ist jetzt nicht mehr wichtig. Gott hat uns eine zweite Chance gegeben. Ganz gleich, wie die Frauen sich entscheiden ... Dich nehme ich mit, wenn ich gehe. Du wirst tun, als wärst du mein Gefangener. In fünf Minuten bis du außerhalb des Zauns.«
    Avram Stern sah seinen Sohn an. »Jonas, ich habe dir doch schon vorher gesagt, daß ich nicht mit dir gehen kann. Bitte, hör mir zu. Ich kann die Frauen und Kinder hier nicht sterben lassen.«
    Jonas packte seinen Vater am Arm. »Du bist nicht für ihren Tod verantwortlich! Es sind die Nazis! Die Briten und die Amerikaner!«
    »Ich könnte für einen Tod verantwortlich sein, Jonas.«
    »Für einen? Für welchen?«
    »Für den des Kindes, das du an meiner Stelle mitnehmen könntest.«
    »Wovon redest du da?«
    »Wie viele Menschen kannst du aus Deutschland

Weitere Kostenlose Bücher