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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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wie jemand ihn umarmte und fest an sich drückte. Die Gefühle, die ihn durchströmten, waren so stark, daß er sie kaum ertragen konnte. Er mußte an seine Mutter denken, die allein in ihrer winzigen Wohnung in Palästina saß.
    »Wie hast du das geschafft?« fragte Avram Stern. »Wie bist du an ihnen vorbeigekommen?«
    »Egal. Ich muß mit euch reden. Kommt alle zu nur. Schnell.«
    »Rachel!« sagte Avram scharf. »Bildet den Kreis.«
    Stern hörte die Bewegung um ihn herum; es war wie das Rascheln von Blättern im nächtlichen Wald. Als die Frauen näherrückten, wich er etwas zur Tür zurück. Er versuchte, diese Bewegung so beiläufig wie möglich aussehen zu lassen, aber er tat es, um jeden Fluchtweg zu blockieren, sollte jemand in Panik geraten.
    Sein Vater und Rachel Jansen standen am nächsten bei ihm. Die anderen Gesichter waren eine Mischung aus jung und alt, eine menschliche Landkarte von Europa.
    »Hört nur zu«, sagte er in Jiddisch. »Ich muß mit euch sprechen, und wir haben wenig Zeit. Was ich euch bei meinem ersten Besuch gesagt habe, war nicht die ganze Wahrheit. Ich bin aus Palästina hierhergekommen, aber nicht, um die Berichte über Nazigreuel zu bestätigen. Ich bin hier, um einen großen Schlag gegen Hitler vorzubereiten.
    Ihr alle wißt, was die Nazis hier in diesem Lager herstellen. Sie haben es an Menschen getestet, die ihr kanntet, vielleicht sogar an Familienmitgliedern. Ihr wißt, wie tödlich dieses Gas ist. Ich muß niemandem von euch sagen, wie verheerend es auf die Truppen wirken würde, die schon bald in Frankreich landen werden, um Europa zu befreien. Aus diesem Grund haben die Alliierten vor, Herrn Doktor Brandt zu töten und sein Labor zu vernichten.«
    Die Frauen flüsterten miteinander. Stern sah in erschrockene Gesichter. So sehr er es auch wollte, er konnte den Frauen nicht die Wahrheit sagen. »In etwa 40 Minuten«, sagte er, »wird das Lager Totenhausen aus der Luft angegriffen.«
    Einige der Frauen schnappten nach Luft.
    »Es werden chemische Bomben abgeworfen, die mit einem Gas gefüllt sind, das sehr dem ähnelt, was hier produziert wird.« Stern trat einen Schritt auf die Frauen zu. Plötzlich bemerkte er, daß er unbewußt angefangen hatte, sie zu zählen. Es waren 44, plus seinem Vater. »Alle, die vor diesem Gas nicht geschützt sind, werden vermutlich während des Angriffes sterben. Ich bin hier, um euch einen Weg vorzuschlagen, wie einige von euch gerettet werden können.«
    »Warum sind Sie wirklich hier?« fragte eine Frau aus der hinteren Reihe. »Den Alliierten ist es egal, ob wir leben oder sterben!«
    Stern hob die Hände. »Ich bin Jude, kein alliierter Soldat. Ich habe für die Haganah in Palästina gekämpft. Ich kämpfe für Israel. Ich habe mein Leben riskiert, um herzukommen. Werdet ihr nun zuhören?«
    »Wir werden zuhören«, antwortete Rachel.
    »Der einzige Schutz vor diesem Gas ist völlige Isolierung. Die Bomben werden um acht Uhr fallen. Zehn Minuten vorher müßt ihr von hier zum E-Block gehen und euch darin einschließen. Es ist absolut notwendig ... «
    »In den E-Block?« fragte jemand. »Es sind mehr als 200 Gefangene im Lager. Der E-Block reicht niemals für uns alle.«
    »Das ist mir klar«, sagte Stern bedächtig.
    Die Frauen sahen sich verwundert an.
    »Was willst du damit sagen, mein Sohn?« fragte Avram.
    »Ich will damit sagen, daß nicht alle gerettet werden können.«
    Ein langes Schweigen folgte seinen Worten.
    »Was ist mit dem Luftschutzbunker?« fragte jemand. »Die Gefangenen würden alle dort hineinpassen.«
    Stern schüttelte den Kopf. »Die SS-Männer sind darauf trainiert, während eines Notfalls in den Bunker zu laufen. Gefangene, die versuchen, dort Schutz zu suchen, würden auf der Stelle erschossen.« Er verschwieg, daß der SS-Bunker bereits vermint war, sollte nichts dazwischengekommen sein.
    Eine Frau mittleren Alters stand auf. »Wer kann etwas für sich in Anspruch nehmen, was allein Gott zusteht?« fragte sie. »Wer wird sagen, wer lebt und wer stirbt?«
    Stern verstärkte seinen Griff um die Schmeisser. Das war der schwierigste Augenblick, wenn die Frauen begriffen, was seine Worte bedeuteten.
    »Ich bin froh, daß keine Rabbis hier sind«, sagte eine sehr alte Frau, die am Boden hockte. »Was für eine endlose Diskussion wir uns anhören müßten. Manchmal muß man einfach seinem Herz folgen. Und dem gesunden Menschenverstand.«
    »Und was schlägt der gesunde Menschenverstand hier vor?«
    fragte die Frau, die

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