Schwarzer Tod
daß manche Offiziere es bereits den französischen Pendelverkehr nannten. Aber Leute direkt nach Deutschland zu schicken, war etwas vollkommen anderes. Der Führer dieses Einsatzes mußte körperlich fit sein, fließend Deutsch sprechen, der Abwehr und der Gestapo unbekannt sein und trotzdem erfahren genug, um sich unentdeckt und mit falschen Papieren im scharf kontrollierten Reich zu bewegen. Doch am wichtigsten war die Kaltblütigkeit, notfalls auch unschuldige Menschen zu töten, um diesen Einsatz erfolgreich zu beenden. Gerade dieses letzte Erfordernis hatte einige mögliche Kandidaten disqualifiziert.
Brigadegeneral Smith war eher zufällig über einen potentiellen neuen Kandidaten gestolpert. Beim Lunch in seinem Club hatte er eine Diskussion am Nebentisch mitgehört, die seinen mentalen Radar alarmiert hatte. Ein Stabsoffizier hatte die Geschichte eines jungen deutschen Juden erzählt, der vor dem Krieg nach Palästina geflohen war und sich dort als Kämpfer dem zionistischen Widerstand angeschlossen hatte. Offensichtlich hatte sich dieser junge Bursche eine Überfahrt von Haifa nach London erpreßt, indem er versprochen hatte, Guerillatechniken zu verraten, die von der Haganah benutzt wurden, um die britischen Besatzungstruppen in Palästina zu terrorisieren. Er sollte heute ankommen, und seine einzige Forderung war, daß man ihm eine Audienz beim Leitenden Kommandeur des Bomberkommandos gewährte. Anscheinend hatte er den Plan, ganz allein die Juden in Europa zu retten. Der Terrorist würde eine Audienz bekommen, scherzte der Offizier, aber nicht die, die er erwartete. Smith hatte so lange zugehört, bis er den Namen des Juden und die Adresse des Treffens erfahren hatte. Dann war er in die Baker Street gefahren und hatte einen alten Freund in Jerusalem angerufen, um herauszufinden, ob es dort eine Akte über Mr. Jonas Stern gab.
Es gab eine. Und was für eine. Je mehr Smith erfuhr, desto faszinierter war er. Im Alter von 25 Jahren war Stern bereits zweimal von der britischen Armee für seine Heldentaten bei der Führung ihrer Armeen in Nordafrika ausgezeichnet worden. Trotzdem wurde er jetzt von der britischen Militärpolizei wegen Verbrechen gegen die Streitkräfte Ihrer Majestät in Palästina gesucht, als Terrorist der gefürchteten Haganah. Er hatte zwar weniger als fünf Pfund auf dem Konto, aber auf seinen Kopf war eine Belohnung von 1000 arabischen Dinar ausgesetzt. Der Offizier in Jerusalem hatte ein Postskriptum beigefügt, in dem er Smith darüber informierte, daß Jonas Stern der Hauptverdächtige in drei Mordfällen sei. Allerdings hatte bisher noch niemand genügend Beweise beigebracht, um ihn vor Gericht zu stellen.
Smith drehte sich um, als im Flur hinter ihm Stimmen erklangen. Zuerst trat ein bewaffneter Posten ein, gefolgt von einem großen, sonnengebräunten jungen Mann in Handschellen. Smith fiel das hagere, knochige Gesicht und die durchdringenden schwarzen Augen des Mannes auf, und im nächsten Augenblick ging Jonas Stern an ihm vorbei zu den beiden Offizieren, die vorn im Raum warteten. Stern trug etwas unter dem Arm, das wie ein in ein Öltuch gewickeltes Päckchen aussah. Als letzter kam ein kleiner Mann durch die Tür, der eine leichte Khaki-Uniform trug und unter Sonnenbrand litt - typisch für britische Offiziere, die Dienst im Nahen Osten taten.
Der ranghöchste Offizier, General John Little, sprach den Engländer an. »Captain Owen?«
»Ja, Sir. Es tut mir schrecklich leid, daß wir uns verspätet haben. Wir wären schon gestern hier eingetroffen, wenn nicht die U-Boote gewesen wären.«
General Little sah Owen hochmütig an. »Nun, jetzt sind Sie ja hier. Ist das der berüchtigte Mr. Stern?«
»Ja, Sir. Ähem ... Ist es wohl möglich, daß ich ihm jetzt seine Handschellen abnehmen darf?«
Der rotgesichtige Major zur Rechten des Generals mischte sich ein. »Noch nicht, Captain. Er ist immerhin ein gesuchter Verbrecher.«
Duff Smith musterte den Major. Es war ein Stabsoffizier des Geheimdienstes mit eher bescheidenen Leistungen.
»Ich bin Major Dickson«, fuhr der Mann fort. »Sie sind ziemlich unverschämt, sich in dieses Gebäude zu trauen. Falls Sie es nicht wissen sollten: Sie sind der Hauptverdächtige in einer Reihe von Bombenanschlägen auf arabische Häuser in der Nähe von Jerusalem, Diebstählen britischer Waffen, ganz zu schweigen von dem Mord an einem britischen Polizisten in Jerusalem 1942. Der einzige Grund, warum wir zugestimmt haben, Sie zu empfangen,
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