Schwarzer Tod
tun werde«, fuhr Eisenhower rasch fort, »ist Folgendes: Ich werde die amerikanischen Forschungsbemühungen forcieren, um bei der Entwicklung von Sarin zu helfen. So können wir unseren Leuten zeigen, daß wir in der Lage sind, genausoviel auszuteilen, wie wir einstecken, falls Hitler tatsächlich die Linie überschreiten sollte. Außerdem werde ich Baker und Harris drängen, aus der Luft nach den Gasfabriken und Lagern zu suchen. Falls Hitler Sarin einsetzt, können wir sie so auf der Stelle bombardieren. Wie klingt das?«
»Es klingt, als würden wir die Stalltür schließen, nachdem das Pferd weggelaufen ist,« knurrte Churchill.
Eisenhower spürte, wie sein berüchtigter Zorn drohte, sich Luft zu machen, aber es gelang ihm, sich zusammenzureißen. In den kommenden Monaten würde er noch zahllose Verhandlungen wie diese ertragen müssen, und daher war es auch in seinem Sinne, so höflich wie möglich zu sein. »Herr Premierminister, seit 1942 habe ich Gerüchte von Weltuntergangswaffen auf beiden Seiten gehört. Am Ende wird dieser Krieg trotzdem mit Flugzeugen, Panzern und Männern gewonnen werden.«
Winston Churchill saß in seinem Morgenrock in dem großen Ohrensessel und hatte die Hände über dem runden Bauch gefaltet. So besaß er eine große Ähnlichkeit mit einem blassen Buddha, der auf einem Samtkissen ruhte. Seine wäßrigen Augen blickten unter den schweren Lidern hervor auf seinen Besucher. »General«, sagte er gewichtig. »Sie und ich halten das Schicksal der gesamten Christenheit in unseren Händen. Ich bitte Sie, es sich noch einmal zu überlegen.«
In diesem Augenblick spürte Eisenhower das volle Ausmaß von Churchills unbeugsamem Willen. Dennoch geriet er nicht ins Wanken. »Ich werde dies alles bedenken«, erklärte er. »Doch bis dahin gilt, was ich gerade gesagt habe.«
Der Oberkommandierende der alliierten Streitkräfte erhob sich und ging zur Tür des Arbeitszimmers. Als er den Türknopf drehte, ließ ihn etwas zögern. Vielleicht eine kurze Ahnung, daß sein Sieg zu leicht gewesen war. Er drehte sich noch mal um und sah Churchill scharf an. »Ich bin überzeugt, daß dies auch für Sie gilt, Herr Premierminister.«
Churchill lächelte schicksalsergeben. »Selbstverständlich, General. Selbstverständlich.«
Nachdem Eisenhowers kleine Gruppe abgefahren war, leistete Brigadegeneral Duff Smith Churchill in seinem Arbeitszimmer Gesellschaft. Auf dem Tisch des Premierministers brannte eine einsame Lampe. Der einarmige SOE-Chef beugte sich vor.
»Die Atmosphäre war ein wenig kühl, als Ike seine Leute zusammengetrommelt hat«, erklärte er.
Churchill legte seine fetten Hände auf den Tisch und seufzte. »Er hat sich geweigert, Duff. Kein Bombardement der Lager, und auch kein Demonstrationsangriff, nachdem wir unser eigenes Gas entwickelt haben.«
»Verdammter Mist! Ist ihm denn nicht klar, was Soman und Sarin aus seiner Scheiß-Invasion machen können?«
»Ich glaube nicht, daß er es begreift. Es ist immer dasselbe amerikanische Lied. Dieselbe Pfadfindernaivität.«
»Diese Naivität kann uns den Krieg kosten!«
»Eisenhower hat niemals einen Kampf erlebt, Duff, vergessen Sie das nicht. Ich werfe es ihm nicht vor; doch einem Mann, auf den niemals geschossen worden ist, und der Giftgas nur vom Hörensagen kennt, fehlt eine gewisse Perspektive.«
»Diese Scheiß-Yankees!« Smith kochte. »Entweder wollen sie diesen Krieg aus sechs Meilen Höhe führen oder nach den Regeln des Marquis von Queensbury.«
»Ruhig, alter Junge. In Italien haben sie ganz gut abgeschnitten.«
»Aye«, räumte Smith ein. »Aber Sie haben es selbst hundertmal gesagt, Winston: Wir müssen jetzt handeln!«
Churchill schob die Unterlippe vor und starrte den General durchdringend an. »Sie haben doch nicht wirklich geglaubt, daß Eisenhower den Bombardements zustimmen würde, oder?«
Das Pokergesicht des SOE-Chefs zuckte kaum merklich. »Das ist eine Tatsache, Winston. Ich habe es niemals geglaubt.«
»Und natürlich haben Sie einen Plan.«
»Sagen wir lieber: Ich habe mir so meine Gedanken gemacht.«
»Ganz gleich, wie verzweifelt unsere Lage auch werden sollte, ich werde mich niemals den Wünschen der Amerikaner widersetzen. Das Risiko ist einfach zu hoch.«
»Die Bedrohung durch das deutsche Gas ist größer, Winston.«
»Das glaube ich allerdings auch.« Churchill schwieg einen Augenblick lang. »Sie dürften keine Briten einsetzen.«
»So gut sollten Sie mich doch inzwischen kennen, Herr
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