Schwarzer Tod
zu richten.
»Weitz! Wo sind Sie?«
Er hörte ein Krachen zu seiner Rechten und dann einen Schrei, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er reichte Rachel das Kind und stolperte den Flur entlang ins Dunkle. Vorsichtig tastete er sich vorwärts, und seine Finger brannten selbst beim leichtesten Kontakt. Er hörte noch ein weiteres Krachen und wieder einen Schrei. Irgend jemand jammerte auf deutsch, aber die Worte waren verzerrt und undeutlich. In dem kurzen Lichtblitz hatte er mindestens zwei tote SS-Männer vor der Tür liegen sehen. Vorsichtig, bewegte er sich weiter. Er hörte ein Geräusch, als würde eine überreife Melone auf Zement fallen, und dann das Schlurfen von Füßen über Fliesen.
»Weitz?« flüsterte er.
Eine MP-Garbe flog ihm aus einer Tür entgegen.
»Scarlett! Ich bin der Mann, den Sie gerade gerettet haben!«
Pause. »Hier drin«, sagte eine gedämpfte Stimme.
Stern roch Blut, als er durch die Tür ging. Weitz richtete die Taschenlampe auf seine Augen und führte ihn dann zur Seite. Sterns Augen folgten dem gelben Strahl, bis sie schließlich auf dem ruhten, was einmal ein menschliches Gesicht gewesen war. Der Schädel war vollkommen mißgestaltet, eine ekelerregende Masse aus Blut und Hirn, und der weiße Kittel darunter war ein Chaos aus rot und schwarz. Auf dem Schreibtisch vor dieser Schweinerei lag ein Eisenstab.
»Guten Abend, Sturmbannführer«, sagte Weitz leise. »So wollte ich es eigentlich nicht, wissen Sie?«
»Wer ist das?«
Weitz schlug die Hacken zusammen und grüßte den Kadaver mit dem Hitlergruß. »Der vornehme Herr Doktor Klaus Brandt. Ich wollte, daß es länger dauert.«
Stern nahm Weitz die Taschenlampe aus der Hand. Der kleine Mann leistete keinen Widerstand. Ein kurzes Ableuchten der Wand enthüllte ein ekelhaftes Wandgemälde aus Blut und Gewebe. Stern leuchtete dem Mörder ins Gesicht.
»Wo ist der andere Gasanzug, Herr Weitz?«
Weitz deutete auf den Boden hinter dem Schreibtisch. »Er war gerade dabei, ihn anzuziehen. Er wollte fliehen.«
Stern nahm Anzug, Maske und die Stiefel, die daneben lagen. »Gibt es hier irgendwo eine Vinyldecke?« fragte er.
»Natürlich. Das hier ist schließlich ein Krankenhaus.«
»Dann holen Sie mir eine. Im Hauptkorridor finden Sie ein kleines Mädchen. Ich möchte, daß Sie sie in diese Decke einwickeln. Tun Sie das?«
»Sie meinen gegen das Gas? Sie braucht Sauerstoff.«
»Dann holen Sie mir eine verdammte Flasche!«
Eine mächtige Explosion erschütterte die Grundmauern des Krankenhauses und zerschmetterte irgendwo in dem dunklen Büro ein Glas. Weitz neigte den Kopf zur Seite, als höre er ein besonders schönes Musikstück.
»Was war das?« fragte Stern.
»Kleine Ratten, die versucht haben, das sinkende Schiff zu verlassen; aber sie haben den falschen Weg genommen! Sie haben mir doch gesagt, ich solle den Luftschutzraum verminen, schon vergessen?«
Stern kehrte der grausigen Szene den Rücken zu und ging zur Tür. Auf Brandts Schreibtisch klingelte das Telefon. Er hörte, wie Weitz abnahm. »Ja?«
Nach einer kurzen Pause begann Weitz zu lachen. Das Geräusch ließ Stern das Blut in den Adern gefrieren. »Wer ist das?« fragte er und leuchtete mit der Taschenlampe auf den Schreibtisch.
»Berlin.« Weitz lächelte unheimlich. »Reichsführer Himmler möchte mit dem Herrn Doktor sprechen.«
Weitz hielt den Hörer gegen Klaus Brandts zerschmetterten Schädel und blickte zu Stern hoch. Der Strahl der Taschenlampe ließ seine Augen und Zähne heller erscheinen, als sie waren.
Stern sprang vor und riß Weitz den Hörer aus der Hand, bevor Weitz mehr sagen konnte. Er hielt den Hörer an sein Ohr und hörte eine verärgerte Stimme. »Brandt? Brandt! Verdammte Telefone ... Die Alliierten haben sie schon wieder lahmgelegt.«
Stern lief ein Schauder über den Rücken.
»Brandt!« sagte Himmler. »Was zum Teufel ist da oben los?«
Stern hob die Sprechmuschel dichter an den Mund. Sehr langsam und sehr klar sagte er: »Hör mir zu, du Hühnerbauer! Du hast den Krieg heute nacht verloren. Halt deine Zyankalipille bereit. Wir kommen dich im Frühling holend«
Vorsichtig legte er auf, hob den Raubhammer-Anzug vom Boden auf und verließ das Büro. Weitz folgte ihm mit seiner Maschinenpistole. Noch bevor sie den Flur erreichten, klingelte das Telefon erneut.
Rachel wartete im Korridor mit Hannah auf dem Arm.
»Um Himmels willen!« schrie Stern.
Rachel schüttelte den Kopf und hielt ihre Tochter verzweifelt
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