Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Valentinstag

Schwarzer Valentinstag

Titel: Schwarzer Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
Vom Netzwerk:
begann zu regnen. Ihr neues Versteck war ein leer stehendes Haus.
    In der Nähe hatte Philo Christoph ein Gewölbe am Ufer der Ill gezeigt, das er schon seit Jahren als Versteck genutzt hatte. Er wusste, dass vor einem halben Jahrhundert hier die Stadtmauer gewesen war mit der Ill als Grenze. Man hatte die alten Mauern und Türme abgerissen und weit jenseits der Ill wieder aufgebaut; so war die ganze Ill entlang von den Mühlen bis zu dem Viertel der Fischer hinab ein neues Stadtviertel entstanden. Das Gewölbe musste ein Rest der alten Befestigungen sein. Es war weit in den Hang hineingetrieben und hatte rückwärtig einen Abzug, den Philo noch nicht gefunden hatte, er spürte aber den Luftzug. So konnte er sogar Feuer in der Höhle machen, ohne dass es von außen zu sehen war. Vor dem Eingang stand ein breiter Strauch mit winzigen weißlichen Blüten.
    Das Haus, das sie bezogen, war eigentlich nur noch eine Fachwerk- und Bretterhütte, die sich mit dem Giebel bedenklich auf die Seite eines Arms der Ill neigte, der mit schwarzgelbem Wasser entlang einem schmalen Weglein dem Sog des nächsten Einlaufs am Rechen einer Mühle folgte. Das Dach war eingesunken, das Stroh waren faulige Fetzen. Am krummen Giebel hing eine hölzerne Brettergalerie Schwindel erregend über dem Wasser. Das Haus war der Rest einer Gruppe von Gebäuden, die offenbar alle ein Hochwasser der Ill weggerissen hatte, man sah noch Mauerreste und Balken.
    »Uns sollte es noch aushalten. Letztes Jahr war freilich noch mehr da«, sagte Philo.
    Christoph schaute trübselig auf die herabgebrochene Treppe, auf die es aus dem Dach tropfte: »Alles verrottet.«
    »Nur du wirst immer wertvoller: Der Preis auf deinen Kopf ist gestiegen. Es sind jetzt sechs Gulden. Respekt.«
     
     
    Ein Müller fand im Morgengrauen, am Rechen seiner Mühle, einen angetriebenen Körper, den man zwischen Treibholz und Unrat kaum sehen konnte. Der Mann war tot, nach der Kleidung zu schließen ein Bettler. Die linke Hand umklammerte noch eine leere hölzerne Schnapsflasche ohne Stöpsel.
    Philo stand in der Traube von Menschen am Einlauf des Mühlkanals. Er sah das weiße Gesicht des Mannes und er sah die schwarze Einstichwunde im Rücken, über den sich das Hemd verschoben hatte.
    »Sie haben heute Morgen einen Bettler aus der Ill gefischt«, sagte er zu Christoph, »er war schon steif. Ich habe ihn mir angesehen.«
    Christoph wehrte sich gegen eine aufsteigende Übelkeit: »Und?«
    »Ich kannte ihn seit Jahren. Er hat Schnaps gesoffen wie ein Loch. Ich glaube nicht, dass er viel gegessen hat. Er hat alles versoffen.«
    »Also ist er besoffen in die Ill gestolpert. Er wird es kaum gemerkt haben.« Christoph bekreuzigte sich.
    Philo schaute Christoph an: »Du fragst gar nicht, wieso ich ihn gesehen habe.«
    »Wer fragt schon, wo du dich überall herumtreibst.«
    »Solltest du aber. Der Bettler muss an unserem Arm der Ill ins Wasser gekommen sein, denn er lag am Rechen unserer Mühle angeschwemmt, ganz nah.«
    »Gekommen sein?«
    »Er hatte eine Stichwunde im Rücken. Also ist er ermordet und in unseren Mühlkanal geworfen worden.«
    »Und wo ist er ermordet worden?«
    »Nicht weit von der Fundstelle, denn wer schleppt schon einen Toten herum? Oberhalb des Rechens, das heißt dicht bei unserem Bretterpalast.«
     
     
    Der Mord war das Gespräch des Tages unter den Bettlern. Am Nachmittag kamen Stadtsoldaten und scheuchten Schwärme von Ratten auf, als sie mit ihren Spießen nachlässig in der Uferböschung der Ill stocherten. Die Bettler standen dabei und gaben Ratschläge, die niemand hören wollte. Die beiden Jungen sahen und hörten es von der morschen Brettergalerie aus.
    Man konnte sie betreten, wenn man vorsichtig war und über dem Balkengerüst blieb, über das die Bretter genagelt waren. Aber so ganz sicher war das auch nicht.
    Am Abend rückte eine Abteilung Soldaten die Ill entlang und trieb alle Bettler, die keinen Bettelbrief hatten, aus der Stadt.
    Es waren bange Minuten, als Philo seinen Bettelbrief zeigte und der Soldat fragte: »Sonst noch jemand in deinem Loch?«
    »Nein«, hatte Philo geantwortet, »das hält ja kaum mich aus.«
    Der Soldat hatte keine Lust gezeigt, sich das Innere der Behausung anzuschauen.
    »Wenn sie den Mörder erwischen, wird er aufgehängt oder gerädert«, sagte Philo. »Ja, da machen sie keinen Unterschied?«, Philo schüttelte den Kopf, »aber wie wollen sie ihn finden? Doch nicht von dem bisschen Herumstochern. Da wollte ich einmal

Weitere Kostenlose Bücher