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Schwarzer Valentinstag

Schwarzer Valentinstag

Titel: Schwarzer Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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sehen, wie sie den Mörder eines Ratsherrn suchen würden.«
    »Das ist ja auch ein gewaltiger Unterschied?«, warf Christoph ein.
    »Meinst du?«
    Christoph war plötzlich still.
    Dann sagte er: »Vielleicht haben sie den Mörder mit hinausgejagt.«
    »Dann kommt er wieder. Alle kommen wieder, so ist das nun einmal. Sie treiben die Bettler alle paar Wochen hinaus, aber alle kommen wieder. Wer lässt sich schon von der Futterkrippe vertreiben?«
    Nach wenigen Tagen hatte Philo die jüdische Familie ausfindig gemacht, die Verwandte aus Spanien aufgenommen hatte.
     
     
    »Wer wohnt denn da noch bei dir im Haus?« Der krumme Bettler hatte ein Gesicht, das vor Stoppeln beinahe schwarz war, eine große weiße Narbe, verschwollene, blutunterlaufene Augen und nur noch zwei, drei schwarze Zähne. Er stank so sehr nach Schnaps, dass man kaum Luft bekam. »Wo zwei wohnen, haben auch drei Platz«, fuhr er fort. »Ihr könntet mich ruhig bei euch wohnen lassen.«
    Seine Stimme war unangenehm heiser.
    Über der Ill stand ein Wolkenturm, die Sonne stach. Die beiden standen in einem Schwarm von Stechfliegen.
    Christoph stand hinter der Türe. Schon vor ein paar Tagen hatte ein Bettler nach ihm gefragt.
    »Warum sieht man ihn denn nie? – Ist er krank? Oder«, die blutunterlaufenen Augen des Bettlers kniffen sich zusammen, als würde er in sehr helles Licht schauen, »oder muss er sich verstecken?«
    »Krank ist er, ansteckend krank, den Grind hat er am Kopf, schon fast keine Haare mehr und voller Flecken. Bald sieht er aus wie du mit deinem versoffenen Glatzkopf. Und er hat ein verschwollenes Gesicht, blau und rot – so wie ich dir eines hinhaue, damit du nicht mehr aus den Augen glotzen kannst, wenn du nicht bald verschwindest!«
    Am anderen Morgen stand er wieder mit einem lauernden Blick vor dem Haus, krumm, sehr groß, hager, mit seiner Narbe und einer hölzernen Schnapsflasche in der Hand. Man konnte sein Alter kaum schätzen, er sah kräftig aus. Christoph und Philo beobachteten ihn von der halsbrecherischen Galerie herab. Er stand lange, wie einer, der sich nicht zu verstecken braucht, der seiner Sache ganz sicher ist. Er kaute auf einem Fingernagel und nahm ab und zu einen Schluck aus der Schnapsflasche. Sie saßen mit Herzklopfen oben, umkreist von Stechmücken, gegen die sie sich nicht wehren durften.
    Der Bettler hatte viel Zeit. Wie bei einer Belagerung ist es, dachte Christoph, aber die Belagerten dürfen sich hier nicht wehren! Er schaute durch die Bretter zu dem weißen Ausschnitt des Himmels.
    So ging es viele Uhrenschläge lang, während sich Philo im Nacken kratzte, dann unter den Achseln, dann am Kopf. Es war schwül. Philo versuchte sogar durch die Zähne zu pfeifen. Zum Glück setzte da der Lärm von den Mühlen ein. Ein Schwarm Krähen, der in allernächster Nähe auf ein paar schrägen Stangen halb im Wasser gehockt hatte, flog auf. Zwei glänzend schwarze Ratten balgten sich zu den Füßen des Narbigen, der mit den bloßen Zehen nach ihnen stieß. Am Ufer wälzte sich eine Hündin und streckte dabei ihren kahlen Bauch mit geschwollenen weißlichen Zitzen nach oben.
    Dann schien ein Ruck durch den Mann zu gehen und er lief schnell und entschieden fort, so wie einer geht, der genau weiß, was er will.
    »Geht er zum Stelzenklaus oder zu dem Hintermann? Oder wartet er, bis er mich alleine erwischt?«
    »Ich glaube nicht, dass er zum Stelzenklaus geht, sonst hätte er nicht den ganzen Morgen hier gestanden. Wie auch immer, wir müssen fort.«
    »Wohin?«
    »Ein anderes Quartier suchen. Dieses hier ist schon zu verdächtig. Sonst bleiben nur noch die Juden, aber für die wird es auch immer schlechter.«
     
     
    Christoph trug einige alte Lumpen, als sie gegen Abend aufbrachen. Ein dickes, unglaublich schmutziges Wolltuch hatte ihm Philo um den Kopf gewickelt. Darunter wurde ein blutiger Verband sichtbar. Über einem Auge hatte er eine Augenklappe, das andere hielt er halb geschlossen. Selbstverständlich war er barfuß.
    Philo führte ihn – ein Gesunder führt einen Kranken. Philo ging derzeit nicht als Bettler: »Wir müssen in ein ganz anderes Stadtviertel, weg von der Ill, sonst haben sie uns gleich wieder.«
    Wie immer in den letzten Wochen waren viele Leute auf den Straßen. An manchen Stellen waren Auflaufe: »Der schwarze Tod ist schon in der Schweiz und in Frankreich!« Das sagte ein dicker runder Mann mit mehligem Gesicht, offenbar ein Bäcker. Sie blieben stehen.
    »Jesus, hilf! Was kann man denn

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