Schwarzer Valentinstag
Kaufherrn. Auch waren die Fenster aus Glas. In den Giebelgeschossen standen die Holzläden offen.
Philo zog sich an einem Gesimse hoch.
»Was siehst du?«
»Du glaubst es nicht. Das musst du dir anschauen, komm herauf.«
Christoph zog sich ebenfalls an dem Gitter hoch, was viel länger dauerte als bei Philo. Schließlich kauerte er neben ihm auf einem Steingesimse und hielt mühsam das Gleichgewicht.
»Mensch!«
Sie sahen in einen prächtigen hohen Saal, hell wie in einer Kirche. Es gab fast keine Möbel in dem Raum, aber Kerzen, Kerzen, Kerzen standen dicht an dicht auf jeder ebenen Fläche, auf dem steinernen Fußboden, auf den Gesimsen und auf jeder Stufe einer Steintreppe im Hintergrund des Saales.
Alle brannten lautlos.
Niemand war zu sehen.
Beide starrten auf die Flammen, die unbewegt, fast starr brannten.
Es war wie Zauberei. Es war wie im Märchen.
»Wir sollten hineingehen«, flüsterte Philo.
»Dort hinten ist eine Türe«, antwortete Christoph mit gepresstem Atem. Das Hoftor war nur angelehnt und quietschte etwas. Sie hielten den Atem an, aber alles blieb still.
Vorsichtig schlüpften sie durch die rückwärtige Türe in den großen Saal. Die Kerzen flackerten, als sie die Türe hinter sich zuzogen, beruhigten sich aber wieder und brannten still wie zuvor.
Sie sprachen kein Wort. Aber als hätten sie es ausgemacht, strebten sie beide der steinernen Treppe zu, die nach oben führte.
Schon die kleine Strecke zwischen Türe und Treppe war schwer zu überwinden, ohne eine der unzähligen Kerzen zu berühren, von denen der Boden und die Stufen fast bedeckt waren, Licht bei Licht.
Philo hielt den Finger an die Lippen, als er auf einen schmalen Zwischenraum deutete, der einen engen Pfad auf den Stufen freiließ, und machte ein bedenkliches Gesicht. Dann hielt er den Mund an Christophs Ohr: »Oben ist jemand!«
Die Kerzen heizten. Im Schacht der Wendeltreppe war ein Sog heißer Luft, der die Flammen sanft neigte, aber nicht zum Flackern brachte. Langsam, ganz langsam stiegen die beiden höher. Immer wieder blieben sie stehen und horchten, aber nichts war zu hören. Auf der Wendeltreppe konnten sie jederzeit jemand in die Arme laufen. Hier im Inneren der steinernen Schnecke waren jetzt endlich keine Kerzen mehr.
Eine offene Türe führte zu einem weiteren Saal: Auch hier war alles voll brennender Kerzen, der Fußboden war bedeckt von ihnen, die Gesimse, einige Tische und Bänke, aber niemand war zu sehen, und überall die Hitze und diese große Stille. Auch im Eingang zur Wendeltreppe, die noch höher führte, wohl hinauf auf den Dachboden, ließen die Kerzen wieder einen schmalen Pfad frei. Als sie die Türe aufgemacht hatten, begannen die Flammen dreier Kerzen, welche die Treppe wohl in ihrem Inneren ausleuchten sollten, unruhig zu flackern, ein Luftstrom schien die Treppe herabzufließen.
Sie betrachteten die Kerzen nachdenklich, als plötzlich die Kerzen im Saal unmittelbar bei der Türe ebenfalls wild zu flackern begannen.
Da hatte Philo Christoph schon am Arm gepackt und zog ihn die Treppe hinab. So rasch ging das, dass sie ins Stolpern kamen und sich an den Wänden Hände und Ellbogen aufschürften.
»Oben muss jemand eine Türe aufgemacht haben, dass ein Durchzug entstanden ist«, flüsterte Philo hastig, während sie treppab rannten. »Wenn wir unten das Flackern bemerken, so sehen sie es oben genauso, wenn unten jemand die Türe öffnet.«
»Weiß ich auch! Wirf keine Kerze um!«
Hörte man von oben nicht Schritte?
Sie rannten vorbei an der Türe zum unteren Saal und hinaus. Hinter sich hörten sie jetzt deutlich Poltern und dumpfe Rufe.
Da waren sie schon im Hof und zur Hoftüre hinaus.
Sie rannten auf der Straße weiter. Dann bog Philo in einen kleinen Hof und sie hockten sich hinter ein Steingewände.
Aber es war wie verhext. Alles blieb still – niemand kam.
»Wem gehört das Haus?«, fragte Christoph.
Philo wusste es nicht.
Abends erzählte man Geschichten.
Abraham redete vom Juden Isaak, der am Hofe Karls des Großen gelebt hatte: »Als Karl der Große, der die Juden sehr schätzte, eine Gesandtschaft zu Kalif Harun al-Raschid nach Bagdad schickte, um sein Kaisertum vom mächtigsten Mann des Orients bestätigen zu lassen, war auch ein Jude dabei. Er hieß Isaak und der Kaiser hatte ihn wohl vor allem seiner Gelehrsamkeit wegen mitgeschickt. Er konnte Arabisch und Persisch, Sprachen, die auch heute fast niemand im Abendland beherrscht.«
»Mein Vater konnte
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