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Schwarzer Valentinstag

Schwarzer Valentinstag

Titel: Schwarzer Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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hineinfiel, standen noch Pfützen. Es roch faulig. Christoph spürte, wie Esther zitterte.
    »Wir müssen leise sein«, mahnte Christoph.
    »I wo, nein, müssen wir nicht!«, sagte Nachum ziemlich laut und kicherte.
    Christoph verschlug es den Atem.
    Dann rief eine grobe Stimme vor ihnen: »Halt, stehen geblieben! Wer ist da?«
    Eine Gestalt mit einem Spieß trat vor die drei.
    »Wir wollen den gefangenen Juden befreien«, sagte Nachum hell und deutlich, ja geradezu fröhlich, wie es Christoph schien.
    »Was wollt ihr?«
    »Den gefangenen Juden befreien.«
    »Seid ihr verrückt geworden?«
    »Ganz einfach: Wir kaufen dir den gefangenen Juden ab.«
    »Was soll das? – Wer bist du überhaupt? – Der Stimme nach bist du doch nur ein Junge. Und die anderen?«
    »Bist du allein?«, fragte Nachum.
    Der Wächter streckte jetzt seinen Spieß vor. Christoph sah, wie sein Helm schimmerte.
    »Wer wir sind, kann dir gleichgültig sein. Für dich ist bloß wichtig, dass wir reich genug sind, um dir hundert gefangene Juden abzukaufen.«
    »Bürschlein, Bürschlein, so ein Vögelchen wie dich spieße ich sonst auf und brate es über dem Feuer als Vorspeise.«
    »Sonst! Aber heute nicht. Heute bist du viel zu schlau. Heute spießt du niemand auf. Heute hörst du uns gut zu. Denn heute sollst du reich werden!«
    Der andere schnaubte verächtlich.
    »Die Judenheit der Stadt Straßburg schickt dir durch uns das hier!«
    Man sah nicht recht, was Nachum auf der flachen Hand hielt. Es schien, als halte er ein Feuer mit einem bläulichen Schein in der Hand.
    »Weißt du, was das ist?«
    Christoph und Esther hörten atemlos zu.
    »Das ist ein Diamant! So etwas hast du noch nie gesehen oder gar in der Hand gehabt. Mit diesem Stein brauchst du in deinem ganzen Leben nie mehr auch nur einen Handgriff zu arbeiten!«
    »Du musst blödsinnig sein!« Der Wächter stampfte mit dem Spieß auf.
    Genau das wollte auch Christoph sagen, aber er brachte kein Wort heraus.
    »Hör mal, das ist nichts anderes als ein Lösegeld, wenn auch das größte, das in Straßburg jemals bezahlt worden ist. Es werden doch überall Gefangene mit Lösegeld ausgelöst!«
    Man konnte das Gesicht des Mannes nicht sehen. Aber Christoph konnte sich das begehrliche Leuchten der Augen vorstellen.
    Der Wächter sagte sehr zögernd: »Er gehört nicht mir. Da kann ich ihn euch auch nicht auslösen.«
    »Weshalb nicht?« Die Stimme Nachums wurde ungeduldig. »Du gibst uns den Gefangenen, der ist ja sowieso schon halb tot. Dann nimmst du diesen großen und schweren Diamanten, der vollkommen rein ist und wert in der Krone des Kaisers zu leuchten, und verschwindest aus Straßburg, gehst irgendwohin, nach Speyer, Frankfurt oder Paris oder Rom, verkaufst ihn für hunderttausend Gulden und hast künftig das schönste Leben, das man sich denken kann. Du kaufst dir ein Rittergut, eine Grafschaft, Titel, Ehren, was du willst.«
    Es war, als halte der Wächter die Luft an.
    Stille.
    Dann war es wie ein Ruck: »Nein! Ein für alle Mal: Nein! Ich habe hier Frau und Kinder und will in nichts hineinkommen. Haut schnell ab oder ich rufe die Scharwache, dann könnt ihr dem Berner Juden selbst Gesellschaft leisten!«
    Er hielt seinen Spieß gesenkt wie zu einem Angriff und machte einen Schritt vorwärts.
    Christoph und Esther zogen Nachum weg, der sich sträubte und nach Christoph stieß.
    »Du bist wohl total verrückt geworden: Vaters größten Diamanten. Was glaubst du, was der dir sagen wird!« Esthers Stimme war scharf.
    Nachum lachte schon wieder: »Diamant! Der ist nichts mehr wert, sage ich euch. Für uns Juden ist der nichts mehr wert, keinen Heller ist der mehr wert!« Seine Stimme überschlug sich.
    Christoph wollte ihn am Arm fassen.
    »Und du lass mich los.« Er fasste mit einer Hand nach Christophs Arm und befreite sich mit einem heftigen Ruck.
    »Was jetzt?«, fragte Christoph, als sie einige Gassen von dem Turm, dem Gefangenen und dem Wächter entfernt waren.
    Der Mond war inzwischen untergegangen.
    Esther hielt immer noch Nachums Arm. Sie sagte kein Wort. Sie schlugen nicht die Richtung zum Judenviertel ein.
    Das Schweigen war für Christoph unerträglich.
    Dann sagte Esther: »Wir sollten heimgehen. Du legst den Diamanten zurück. Vater merkt es nicht. Wenn sie uns erwischen – wir sind Juden!«
    »Einer von uns ist kein Jude!« Die Stimme von Nachum wurde wieder laut.
    »Er gehört zu uns – er hat sich für uns in Gefahr gebracht.«
    »Das ist ganz recht, dass er auch

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