Schwarzer, Wolf, Skin
waren Lügen. Und irgendwann hätte ich fast den ganzen Ordner mit Bewerbungssachen in den Müll geknallt. Aus. Vorbei. Ich bin arbeitslos, bleib arbeitslos. Was geht mich die Zukunft an? Ist mir alles scheißegal. So sah das damals aus.
Im Laden war es düster. An der Decke brannte ein funzeliges Licht. Ich setzte mich zu dem alten Scheuerer und erzählte ihm von meiner zukünftigen Stelle.
Das habe ich nur dem alten Motte zu verdanken, der hat mir die Stelle vermittelt. Der kennt einen Kraftfahrzeugmechaniker, der auf Leute wie wir steht. Zu dem bin ich hin, Vertrag gekriegt, Sache geritzt. Und ich kann am 1. September anfangen, also nur noch ein paar Wochen. »Eher geht es nicht«, hat er gesagt. Er hat mich sogar gefragt, ob ich noch einen wüßte, weil er gerne welche hätte, die so dächten wie wir. Ich hab nur mit den Schultern gezuckt, weil man bei den andern nie so richtig weiß, ob sie wirklich arbeiten wollen oder nicht. Eins steht fest: Ich will arbeiten. Ich will was tun. Ich will endlich Geld verdienen und wer sein. Und ich bin es auch irgendwie leid, immer Geld abzustauben, auch mal ‘ne Kleinigkeit mitgehen zu lassen. Und alles, was dazugehört.
Der Laden war interessant. In einem Regal lagen Zeitschriften. Einige offen, einige in Kartons. In den Kartons waren die verbotenen. Die konnte man schnell verschwinden lassen. Wenn Polizei kam, nahm man die Kartons, versteckte sie im hintersten Kellereck. Zack, Sache geritzt.
Ich hätte gerne in den Zeitschriften gelesen. Vor allem interessierten mich die neuen Forschungen über das Dritte Reich, von denen Dolfs Vater berichtet hatte. War ja interessant, was das Ausland sich alles ausgedacht hatte, um uns Deutschen so richtig Schuldgefühle einzutrichtern. Auch die Hitlerzeit. Die Reden, Dokumente – das interessierte mich.
Daneben lagen Labels und Aufkleber. »Sind die nicht verboten?« hatte Andy gefragt, als ich zum ersten Mal mit ihm hier war.
»Klar«, hatte Scheuerer gesagt, weils da ja den Paragraphen 86 gibt, der verbietet, daß Material aus der Nazizeit verbreitet wird. Aber der Scheuerer hatte auf ein Schild gezeigt: Nur zu Forschungszwecken abzugeben. »Und verkaufen tun wir das eh nicht.« Er hatte mir zugezwinkert. »Deswegen sind auch keine Preisschilder dran. Wir verschenken alles, gegen Geld«, hatte er geflüstert. »Versteht sich von selbst. Warum sollen wir’s uns schwerer machen, als es nötig ist?«
Im nächsten Regal waren alte Uniformen, Ärmelstreifen, SA-Koppelschlösser, Panzerspangen mit Eichenlaub. Die ohne Eichenlaub wären ihm gerade ausgegangen, sagte er entschuldigend. Eisernes Kreuz Erster Klasse war auch vergoldet da.
Eine Kiste mit Aufklebern: Juda verrecke. Oder: Ausländer raus – Kauft nicht bei Juden – Kampf den Judenparteien KPD SPD CDU CSU FDP. Überall das Hakenkreuz.
»Sind die alle alt?«
»Nee«, sagte Scheuerer, »die werden in Kanada und in den USA hergestellt, und die kannst du, wenn du da bekannt bist, aus einem Katalog bestellen. Auch Stofffahnen.«
Er ging mit mir in den Hintergrund des Ladens. Da lagen in einer Ecke gebrauchte Stiefel. Ich fand sogar ein Paar. Waren echt toft. Eine Nummer zu groß, aber das ging, weil ich sie bis oben schnürte.
»Preis?« fragte ich.
»Eigentlich vierzig Mark«, sagte er.
»Wieso eigentlich?«
Er kratzte sich am Kopf. »Komm, setzen wir uns.« Er ging vor mir her ins Hinterzimmer. Gemütliche Atmosphäre. Er bot mir Tee an. Er ging an den Plattenspieler und legte Marschmusik auf. Da war eine ganze Abteilung mit Schallplatten, mit alten nationalsozialistischen Liedern, mit Reden des Führers, mit Filmen über das Dritte Reich und Propagandafilmen aus der Zeit des Dritten Reiches. Und dann kam es. Er fragte mich, ob ich ihm bis zu meiner Lehre ein bißchen zur Hand gehen könnte. Anschließend auch, vielleicht abends. Und ob ich noch einen Freund mitbringen könnte. Er würde auch gut bezahlen.
Und ob ich wollte! Ich würde zwar nicht mehr soviel Zeit haben für die andern im Bunker. Aber ich hatte eine Aufgabe, und zwar eine, wo ich auch was lernte. Ich sollte nämlich nicht nur im Laden sortieren und einfach hier sein, sondern ich sollte auch Kameradschaftsabende mit vorbereiten, Material zusammenstellen, kopieren. Je mehr ich von der Sache hörte, desto mehr ging sie mich an.
Ich sollte auch an den Abenden teilnehmen. Er selber war ein alter SS-Mann und traf sich einmal wöchentlich mit den alten Kameraden hier im Laden. Da konnten sie Erinnerungen
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