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Schwarzer, Wolf, Skin

Schwarzer, Wolf, Skin

Titel: Schwarzer, Wolf, Skin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hagemann
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echt gut. Sie gab mir Geld. Fünfzig Mark. Echt, fünfzig Mark! Und sagte, ich hätte mir doch immer ein paar neue Springerstiefel kaufen wollen. »Danke für heute nacht«, sagte sie. Ich glaube, sie weinte. Armes Schwein, meine Mutter.
    Ich weiß, daß die fünfzig Mark ihre letzte Reserve waren. Sie hatte sie hinten aus dem Küchenschrank geholt. Aus einem Einmachglas. Da war immer ihr Erspartes. Ich war da schon mal drangegangen, als ich noch zur Schule ging.
    Ich ging zu ihr in die Küche. An der Wand ein alter Schrank. Ein Tisch in der Mitte, eine zerrissene Decke.
    Kartons. Alles ordentlich. Aber wie oft hatte meine Mutter sich eine neue Küche gewünscht. Aber da waren die Kinder. Der Alte soff. Geld weg. Aus der Traum. Und sie hielt durch. Das war echt ‘ne Leistung. All die Jahre. Am liebsten hätte ich es ihr mal gesagt, aber ich tat’s dann doch nicht.
    Ich rief »Tschüs«, als ich ging. Meine Alte guckte mich an, von oben bis unten. Ich glaube, sie war stolz auf mich in dem Augenblick. Und ich fühlte mich auch sauwohl, weil ich wichtig gewesen war und weil ich wieder wichtig sein würde, vielleicht in der nächsten Nacht, vielleicht in der übernächsten. Aber ich hatte etwas gesagt, und ich hatte was zu sagen. Und meine Mutter glaubte an mich. Das stand in ihren Augen.
    Ich zog die Wohnungstür hinter mir zu, bummelte den ungemütlichen Betongang entlang. Es stank nach Urin und Schweiß und noch mehr. Aber an diesem Tag machte mir das nicht viel. Ich pfiff ein Lied, eines von unsern Deutschlandliedern.
    Ich wollte als erstes in den Laden gehen. Vielleicht bekam ich für die fünfzig Mark ein paar getragene Springerstiefel.
    Ich holte den Aufzug. Ein Klassenkamerad von früher war drin. So ‘n richtiger Popper. Er guckte mich ziemlich blöd an mit meinem Skinkopf. Lächelte mir zu. Ich glaub, mehr aus Verlegenheit. Wir gingen wortlos aus dem Aufzug. Jeder in seine Richtung.

9
     
     
     
    Ich krempelte mir meine Ärmel auf. Ich ging in die U-Bahnstation, stieg in den nächsten Zug Richtung Stadt, mußte aber aufpassen, weil ich schwarzfuhr. Wie immer. Wenn wir zu mehreren waren, machte das nichts, dann gaben wir dem Kontrolleur eins über die Rübe – oder der machte sowieso einen Bogen um uns. Aber allein mußte man aufpassen.
    Endlich, Achtermannstraße. Jetzt noch bis 67B, Hinterhaus. Meine Absätze knallten auf dem Straßenpflaster. Ich ging immer schneller. Irgendwie zog der Laden mich magisch an. Ich fühlte noch meine fünfzig Mark in der Hosentasche, dann war ich da.
    Die Häuser vorne waren grau. Das Nachbarhaus wurde gerade renoviert. Ich ging durch einen Torbogen in den Hinterhof. Der Laden hatte nach vorne ein Fenster. Da hing eine ganz normale Gardine.
    »So weit sind wir noch nicht«, hatte Scheuerer zu mir gesagt. »So weit sind wir noch nicht, Schwarzer, daß wir vorne offen zeigen können, was wir drinnen verkaufen. Aber die Zeit kommt. Verlaß dich drauf. Das ist nicht mehr lange. Dann können wir wieder mit der Fahne durch die Straßen ziehen, unsere Lieder singen und stolz sein auf unser deutsches Volk.«
    Politik interessiert mich nicht so, aber wenn man das immer hört, geht einem das in Fleisch und Blut über und man denkt auch anders. Langsam. Das konnte ich sogar an mir feststellen.
    Anfangs hatte mich sogar vieles von dem, was die sagten, geärgert. Aber so allmählich leuchtete mir manches ein. Vor allem aber eins: Man hatte jemanden zum Sprechen, jemanden, der einem das Gefühl gab, dazuzugehören und wichtig zu sein. Man war nicht immer nur der kleine arbeitslose Pimpf, den sie alle unterhielten und unterstützten. Hier gehörte ich dazu und war wichtig.
    Der alte Scheuerer schaute auf, als ich hereinkam. »Heil Hitler!«
    »Heil Hitler!« antwortete ich. Ich steh zwar nicht auf Hitler, weil ich der Meinung bin, daß der größenwahnsinnig war, aber er hat auch ‘ne Menge Gutes gemacht, vor allem das mit der Arbeitslosigkeit.
    Wie es mir ginge, fragte Scheuerer sofort, mit Stelle und so.
    Das tat gut, daß man gefragt wurde. Die meisten hatten sich schon daran gewöhnt, daß ich Bewerbungen schrieb und Absagen kriegte.
    Als ich nämlich aus der Schule kam, direkt davor und danach, war ich ein paarmal bei Vorstellungsgesprächen gewesen. Sie hatten mir immer wieder gesagt: »Sie hören von uns.« Und zwei Wochen später kam dann ein Brief.
    Immer gleich: Sehr geehrter Herr Schwarzer, zu unserem Bedauern … Weiter las ich gar nicht mehr, denn das, was drunter stand,

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