Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer, Wolf, Skin

Schwarzer, Wolf, Skin

Titel: Schwarzer, Wolf, Skin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hagemann
Vom Netzwerk:
Andy gegenüber. Ich wußte, daß Andy in der Schule gerade darüber gesprochen hatte. Ich sah auch ein paarmal, daß er einhaken wollte. Ich hoffte, er wollte nicht widersprechen. Ich hatte ihm doch schon gesagt, daß das nicht ging, daß man hier die Schnauze hielt. Dafür wären dann der Zusammenhalt da und die Kameraden. Ich hab Andy fest angeblickt. Ich glaub, der hat verstanden. Jedenfalls hat er die Klappe gehalten. Das hätte Zoff gegeben, vor allem, weil es schon spät war und alle ordentlich getrunken hatten.
    Ich mochte den Andy irgendwie. Vielleicht erinnerte er mich an meinen kleinen Bruder, den ich nachts immer beschützt hatte, der gezittert hatte in meinem Arm. Vielleicht tat es mir aber auch nur gut, die Angst eines andern und alles, was er dachte, mitzukriegen.

6
     
     
     
    Wir beschlossen den Abend mit einer Ansprache von Dolf und sangen ein Lied. Danach unser Türkenlied. Die Fenster waren zu, uns konnte keiner hören. Das Singen machte uns an. Besonders der Text:
     
    Ich steh auf der Straße, hab meine Augen auf.
    Ich warte auf ‘nen Türken, und dem hau ich eine drauf
    und wenn ich einmal dran bin, dann tret ich auch noch rein,
    is ja nur ein Türke, ein altes Kümmelschwein.
     
    Sie fressen ständig Knoblauch
    und stinken wie ‘ne Sau.
    Sie kommen hier nach Deutschland
    und leben hier für lau.
    Sie bauen hier nur Scheiße
    und machen hier nur Dreck.
    Man muß sie einfach töten, alles andere hat keinen Zweck.
     
    Türke, Türke, was hast du getan?
    Türke, Türke, warum machen du mich an?
     
    Als wir den Refrain zum zweiten Mal sangen, ging Dolf an den Schrank, fast gemeinsam mit Schneider. Sie rempelten sich wieder kurz an und verteilten dann ein paar Baseballschläger. Wir standen im Kreis, sahen uns an und sangen weiter. Wir wußten, was jetzt zu tun war. Auch ohne Worte.
     
    Hast du ‘ne Eiche in deinem Garten stehn,
    dann will ich einen Türken daran hängen sehn.
    Hast du in deinem Keller ‘ne große Folterbank,
    dann schnapp dir einen Türken und mach ihn wieder schlank.
     
    Wir gingen langsam die Treppe hinauf, waren mucksmäuschenstill. Erst als wir auf der Straße waren, ein Stück von unserem Bunker entfernt, sangen wir die Strophe, die man auch draußen singen kann. Das turnte einfach an, das machte Spaß, das machte heiß auf Türken, besonders wenn man einen Schläger unter dem Hemd hat.
    Ich hatte gesehen, daß Dolf sich noch einen Schlagring aufgesteckt hatte und Fried die Fahrradkette unter die Jacke. In Andys Augen hatte ich Angst gesehen. Aber es war dunkel. Ich sah ihn jetzt auch nicht mehr, er ging hinter mir her.
     
    El Schickischa Moneten, Kanake ole,
    El schickisch ali leck, el scheckisch,
    schau doch Scheck raharha makapu,
    Kanake nur bis du.
    Kanake malachei
    geh zurück in die Türkei.
     
    So zogen wir weiter, Richtung Bahnhof. Da waren eigentlich um diese Zeit immer Türken. Wir summten nur noch die Melodie vor uns hin, gingen alle im Gleichschritt auf den Platz zu. Wer das noch nicht erlebt hat, in der Gruppe mit einem Lied zu marschieren, der kann auch nicht verstehen, was für ein Gefühl das ist. Du fühlst dich unheimlich toft. Hinter dir ist einer, der so denkt wie du. Vor dir ist einer, der so denkt wie du, und dahinter und davor noch mehr.
    Unterwegs kamen Fußgänger vorbei. Einige hatten Angst. Das tat gut, das machte völlig glücklich, die Angst in den Augen der andern.
    Schneider ließ von vorn nach hinten eine Flasche Whisky durchgehen. Der brannte in der Kehle. Gleichzeitig der kalte Wind im Gesicht.
    Wir kamen am Bahnhof an. Aber kein Türke zu sehen. Nichts. Alles leergefegt.
    »Wahrscheinlich waren die Bullen hier und haben aufgeräumt«, sagte Dolf.
    Sonst hörten wir oft Polizeifunk, der lief einfach so nebenher, und wir waren informiert. Aber heute hatten wir das nicht getan. Der Bunker und alles war so neu.
    »Die Polizei paßt jetzt mehr auf nach dem Türkenmord.« Das sagte Fried so, als hätte er nichts damit zu tun. Wir kannten das schon: Immer, wenn was Dickes passiert war, waren die Bullen zwei bis drei Wochen voll da. Danach ließ es wieder nach. Also hielt man sich in der Zeit zurück, und danach ging’s wieder zur Sache. Die Polizei konnte halt nicht überall sein, überall auf einmal.
    »Also Kreuzstraße«, rief Dolf. Da war ein Türkentreff, da waren sicher noch ‘ne Menge Kanaken. »Alle kehrt!«, und er ging vorne.
    Wir alle fühlten, daß wir wieder was tun mußten.
    »Action, Leute, Action!« schrie Hotte.
    Andy

Weitere Kostenlose Bücher