Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)
eine Bowlingkugel im Kofferraum hin und her, als er den Wagen die Auffahrt in Richtung Interstate hinunter lenkte. Drum war auf dem Beifahrersitz zusammengesunken. Er blutete und atmete flach.
Vorhin im Haus hatte Gene Drum mit der Waffe bedroht. »Was hast du mit Timmy gemacht?«, hatte er gefragt, und seine Stimme war die eines Fremden gewesen.
»Nichts. Noch nicht. Wenn du mich heil nach Hause bringst, wird deinem Jungen oder Bobby und Sally Heck nichts geschehen.«
»Wenn du ihm auch nur ein Haar gekrümmt hast …«
»Keine Angst, ihm ist nichts passiert. Darauf geb ich dir mein Wort.« Gene hatte in seine Schweinsäuglein gestarrt. »Ruf Mrs. Heck an, wenn du mir nicht glaubst.«
Ohne die Waffe von Drum wegzurichten, hatte Gene nach dem Handy gegriffen und die Schnellwahltaste gedrückt. Es hatte ein paarmal geklingelt, dann nahm Sally Heck ab. Gene bemühte sich, so ruhig wie möglich zu klingen, und fragte, ob Timmy sich ordentlich benahm.
»Oh, er ist ein richtiger Goldschatz«, sagte die Frau.
Gene hatte die Waffe sinken lassen und dem Riesen gestattet aufzustehen. Er wechselte noch ein paar Worte mit Sally, dann legte er auf.
Drum tigerte durch den Raum, stieg über die Leichen und hielt sich die verwundete Schulter. Zwischen seinen Fingern quoll es rot hervor. Er zog ein Taschentuch heraus und stopfte es unter das Hemd, um die Blutung zu stillen.
»Wir müssen die Bude abfackeln«, hatte Drum gesagt.
Gene nickte.
Drum stieß mit der Fußspitze gegen die Glock, die neben dem Toten lag. »Ist die auf deinen Namen gemeldet?«
»Ja.«
Der Riese schüttelte den Kopf. »Meine Güte, Junge, hast du nur Scheiße im Hirn? Ist das deine erste Schießerei? Wie wär’s, wenn du die Kugeln und die Patronenhülsen einsammelst?«
Gene suchte die beiden Hülsen und steckte sie ein. Eine der Kugeln, die Drum in den Mann im Anzug gefeuert hatte, war aus dem Hinterkopf ausgetreten und steckte inmitten eines pointillistischen Gemäldes aus Blut und Hirnmasse in der Gipswand. Gene öffnete das kleine Taschenmesser an seinem Schlüsselbund, pulte die Kugel heraus und steckte sie zu den Patronenhülsen in die Tasche. Das andere Projektil war nirgendwo zu finden.
Also untersuchte Gene den Kopf des Toten. Er hatte genug Schusswunden gesehen, um zu wissen, dass Kugeln im menschlichen Schädel die seltsamsten Dinge anstellen konnten: Sie prallten von Knochen ab, hüpften wie Kunstradfahrer durch die Hirnschale und bohrten sich nicht selten in die Hirnlappen.
»Wir müssen seinen Kopf mitnehmen«, sagte Drum.
Gene sah zu ihm auf. »Was?«
»Nimm seinen Kopf mit. Wir dürfen nicht darauf vertrauen, dass das Feuer die ballistischen Beweise vernichten wird, und für eine Obduktion haben wir keine Zeit. Außerdem werden sofort die Kartelle in Verdacht geraten, wenn man hier eine geköpfte Leiche findet.«
Eine Logik, die Gene durchaus nachvollziehen konnte. Doch er bezweifelte, dass er die Nerven für so etwas hatte.
»Was ist los? Schwacher Magen?«, fragte der Sheriff, als hätte er seine Gedanken gelesen. »Mich hat’s erwischt. Ich kann dir nicht helfen.«
Gene hob die Holzsäge vom Boden auf, an der immer noch Drums Blut klebte. Er trug sie zum Mann mit dem Anzug hinüber und legte sie neben die Leiche.
»Dreh ihn um«, sagte Drum, als hätte er Erfahrung in solchen Dingen.
Gene rollte den Mann auf den Bauch und hob die Säge. Er setzte sie am Kopfansatz an, wo zwei Rückenwirbel eine natürliche Einkerbung bildeten, schloss die Augen und spürte einen sauren Geschmack im Mund. Dann öffnete er sie wieder und begann zu sägen.
Das Sägeblatt war scharf – eine Minute später steckte es tief in Fleisch und Sehnen, wobei erstaunlich wenig Blut austrat. Als die Säge an einem Knochenstück stecken blieb, stieg Galle in Genes Kehle auf. Der Kopf stand in einem unnatürlichen Winkel ab, in der klaffenden Wunde am Hals waren Fett, Muskeln und Knorpel zu erkennen. Nur unter Aufbietung all seiner Willenskraft – der Gedanke an Timmy war wie ein energiespendendes Mantra – gelang es Gene weiter zu sägen.
Endlich stieß er auf Holz. Der Kopf des Mannes löste sich vom Torso und polterte auf die Dielen.
Gene stand auf, kämpfte einen Augenblick gegen die Übelkeit an, dann verließ er den Raum und ging in die Küche, die bis auf ein paar leere Bierflaschen auf der Arbeitsfläche blitzsauber war. Er trat auf den Öffner einer Mülltonne neben der Tür, nahm die Plastiktüte heraus, ging wieder zur Leiche
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