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Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)

Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)

Titel: Schwarzes Blut: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Wilde , Roger Smith
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traf, im Sheriffbüro zum Beispiel oder auf dem Volksfest (obwohl sein Daddy nicht gern aus dem Haus ging), waren sie sehr freundlich zu ihm. Tante Sally redete etwas zu laut und sagte ihm ständig, wie groß er geworden war und wie ähnlich er seinem Daddy sah.
    Außerdem fasste sie ihn immer an, küsste ihn aufs Gesicht und drückte ihn. Unter dem Lavendelduft, von dem er niesen musste, roch sie nach altem Schweiß.
    Er hatte gar nicht herkommen wollen – er war zum ersten Mal in diesem Haus –, aber sein Daddy musste etwas in der Stadt erledigen.
    »Warum kann ich nicht bei Skye bleiben?«, hatte er gefragt.
    »Skye ist beschäftigt.«
    »Mit was?«
    Da hatte sein Vater ernst geguckt und war ganz still geworden, und Timmy hatte lieber keine Fragen mehr gestellt. Daddy hatte ihn hier abgesetzt. Onkel Bobby war in Uniform auf der Veranda gestanden, hatte seine Hand geschüttelt und ihn dann zu Tante Sally ins Haus gebracht. Sie war in die Hocke gegangen und hatte ihm feuchte Küsse gegeben wie ein alter sabbernder Hund.
    Onkel Bobby war im Streifenwagen davongefahren. Jetzt war er mit Tante Sally allein. Sie stellte ein großes Glas Limonade vor Timmy hin. Er war furchtbar durstig, aber er traute sich nicht, mehr als einen kleinen Schluck zu nehmen. Sonst musste er pinkeln, und die Toilette war auf demselben Flur wie das Zimmer mit dem toten Baby.
    Lieber nicht.
    Tante Sally gab ihm Kekse – sie waren trocken und bitter und blieben ihm im Hals stecken, sodass er sie mit Limonade runterspülen musste, obwohl er das gar nicht wollte.
    Dann setzten sie sich an den Küchentisch, und Tante Sally plapperte drauflos. Timmy tat so, als hätte er eine Fernsteuerung, mit der er sie stumm schalten konnte, sodass sich nur noch ihre Lippen bewegten. Er sah über ihren Kopf hinweg auf die weiße Uhr mit den schwarzen Zeigern, die sich so langsam bewegten, als würden sie in Sirup stecken. Trotzdem verging Stunde um Stunde.
    Leider funktionierte die Fernbedienung nicht bei seiner Blase. Er spürte, wie sie anschwoll und gegen seine Jeans drückte. Er musste pinkeln.
    Bald.
    Das machte ihm richtig Angst. Da draußen wartete die Horrorshow auf ihn.
    »Timmy? Alles in Ordnung?«, fragte Tante Sally und starrte ihn an.
    »Ja. Ich muss mal wohin«, sagte er. Jetzt war es wirklich dringend. Ein paar Tropfen waren schon in seiner Unterhose gelandet.
    »Geh einfach an Lauras Zimmer vorbei. Dahinter ist das Bad«, sagte Tante Sally, steckte sich einen Keks in den Mund und kaute darauf herum. Sie redete, als ob das Baby noch am Leben wäre.
    Das war natürlich nicht der Fall, wie Timmy genau wusste. Erst vor Kurzem hatten sein Daddy und Skye darüber geredet, dass Onkel Bobby und Tante Sally nur ein Baby gehabt hatten, das vor zehn Jahren an etwas gestorben war, das plötzlicher Kindstod hieß. Danach hatte Tante Sally keine Kinder mehr bekommen können, sosehr sie es auch versucht hatten.
    »Das hat sie fertiggemacht«, hatte sein Daddy gesagt. »Richtig fertig.«
    Timmy glitt vom Stuhl und stand eine Ewigkeit lang im Flur. Die Sonne war fast untergegangen, und es war ziemlich düster, weil das Licht nicht eingeschaltet war. Seine Blase drückte so sehr, dass er in Richtung Badezimmer ging, wobei er versuchte, nicht in den Türspalt zu blicken. Trotzdem sah er eine Holzwiege und ein paar rosafarbene Spielsachen und Plüschtiere, die von der Decke hingen.
    Als er näher kam, hörte er wieder das Weinen. Jetzt ging die Horrorshow los. Er konnte nicht dagegen ankämpfen, wie magnetisch zog es ihn zur Tür. Timmy drückte sie auf und betrat den Raum.
    Die kleine Laura lag in der Wiege und heulte. Ihr Köpfchen war feuerrot, sie plärrte wie verrückt, holte tief Luft und schrie noch lauter. Ihre Augen waren zusammengekniffen. Tränen der Wut liefen über ihr zerknautschtes Babygesicht. Sie schüttelte die winzigen Fäuste.
    Tante Sally kam herein. Eine jüngere Tante Sally ohne graue Haare.
    »Pssst«, sagte sie, doch das Baby schrie weiter.
    Tante Sally hob Laura aus der Wiege, hielt sie in den Armen und tätschelte ihren Rücken. Die kleinen Füße traten um sich, die Fäuste schlugen durch die Luft, und aus dem offenen Mund kamen immer lautere Schreie.
    »Sei ruhig!«, sagte Tante Sally, hielt das Baby auf Armeslänge von sich und schüttelte es. »Um Himmels willen, sei ruhig!«
    Es half nichts – im Gegenteil, Laura schrie noch lauter. Jetzt weinte auch Tante Sally, aber so leise, dass ihr Schluchzen gar nicht zu hören war.
    Tante

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