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Schwarzes Blut

Schwarzes Blut

Titel: Schwarzes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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gelange.«
Sie spricht wie eine aufgezogene Spielzeugpuppe: »Fahren Sie den Hawthorne Boulevard nach Osten Richtung Washington. Dann rechts ab und immer geradeaus nach Winston.« Sie blinzelt und hustet. »Da ist es.«
Ich drücke mein Gesicht dicht an ihres. Sie atmet meine Luft und meinen berauschenden Geruch ein. »Sie werden sich nicht an mich erinnern. Es gibt keine Kathy Gibson. Es gibt kein blondes Mädchen. Niemand kam hier vorbei. Noch nicht mal das FBI hat angerufen. Sollte es noch anrufen, sagen Sie einfach, daß Sie schon lange nichts mehr von Ihrem Sohn gehört haben.« Ich lege der Frau die Hand auf die Stirn und flüstere ihr ins Ohr: »Verstanden?«
Sie starrt in den Raum. »Ja.«
»Gut.« Meine Lippen fahren ihr über den Hals, ich beiße aber nicht zu. Aber ich schwöre mir: Wenn Eddie sich noch einmal so beschissen verhält, drehe ich ihr vor seinen Augen den Hals um. »Auf Wiedersehen, Mrs. Fender.«
Beim Hinausgehen bemerke ich einen kalten Hauch aus den hinteren Räumen. Ich spüre die Vibration eines elektrischen Motors und rieche Kühlmittel. Hier im Haus, in der Nähe der hinteren Schlafzimmer, muß ein sehr großer Eisschrank stehen. Fast kehre ich um, um mehr darüber herauszufinden. Aber jetzt habe ich eben meine Suggestionskraft wirken lassen, und wenn ich zurückkehre, könnte das dem wackeligen Trugbild schaden, das die Frau sich aufgebaut hat. Außerdem habe ich ja jetzt die Adresse des Lagerhauses, und Eddie aufzuspüren hat höchste Priorität. Wenn es nötig sein sollte, kann ich immer noch hierher zurückkehren und den Rest des Hauses auf den Kopf stellen.
    8.
KAPITEL
    »Erzähl mir von deinem Mann, von Rama«, bittet mich Ray, während der Fahrt zum Lagerhaus. »Und von Lalita, deiner Tochter.«
Die Frage überrascht mich. »Das ist lange her.«
»Aber du erinnerst dich doch noch an alles?«
»Ja.« Einen Moment lang verfalle ich in Schweigen. »Ich war fast zwanzig, als wir uns begegneten. Drei- oder viermal im Jahr kamen Händler in dem Teil Indiens vorbei, der heute Rajasthan heißt. Wir lebten zwischen Dschungel und Wüste. Die Händler verkauften uns Sonnenhüte und Kräuter gegen die Stechmücken. Rama war der Sohn eines Händlers. Zum erstenmal sah ich ihn am Fluß neben unserem Dorf. Er brachte einem kleinen Kind bei, wie man Drachen steigen läßt. Wir hatten Drachen damals. Wir haben sie übrigens erfunden, nicht die Chinesen.« Ich schüttele den Kopf. »Als ich ihn sah, wußte ich es sofort.«
Ray weiß, wovon ich rede. Angesichts dessen, was sich am Strand ereignet hat, will er jedoch mehr über meine menschlichen Anwandlungen erfahren und fragt mich also trotzdem: »Was wußtest du sofort?«
»Daß ich ihn liebte. Daß wir zusammengehörten.« Die Erinnerung läßt mich schmunzeln. »Er wurde nach einer früheren Inkarnation von Gott Vishnu benannt: dem achten Avatar oder der achten Inkarnation. Der Gott Vishnu war mit der Göttin Sita verheiratet. Von Krishna hieß es, er sei der neunte Avatar. Von Geburt an betete ich den Gott Vishnu an. Vielleicht bin ich so zu Krishna gekommen. Jedenfalls merkst du, wie mein Name und der von Rama zusammenführen. Vielleicht war unsere Zusammenkunft ja auch schicksalsbestimmt. Rama war in vieler Hinsicht so wie du. Ruhig, und er hat viel nachgedacht.« Ich schaue zu ihm hinüber. »Sogar deine Augen hatte er.«
»Meine Augen?« wiederholt er.
»Sie sahen nicht gleich aus. Aber sie waren gleich. Verstehst du?«
»Ja. Erzählst du mir von Lalita?«
»Lalita ist auch der Name einer Göttin. Er bedeutet: ›Sie, die spielt.‹ Von der Sekunde an, in der sie aus meinem Schoß kam, hatte sie nur Unsinn im Sinn. Mit zehn Monaten kletterte sie aus ihrer Wiege und krabbelte den ganzen Weg zum Fluß hinunter.« Ich kicherte. »Mir fällt gerade ein, wie ich sie einmal in einem der kleinen Boote, mit denen wir zu Wasser fuhren, mit einer Schlange fand. Zum Glück schlief die Schlange gerade. Eine Giftschlange! Ich war entsetzlich erschrocken.« Ein Seufzer dringt über meine Lippen. »Du hättest mich nicht wiedererkannt damals.«
»Schade, daß ich dich damals nicht gekannt habe.«
Süß, wie er das sagt. Und dennoch: Es tut mir weh. Meine Hände spielen nervös am Lenkrad herum. »Ich finde auch vieles schade«, sage ich mit gesenkter Stimme.
»Glaubst du an Wiedergeburt?« fragt er mich plötzlich.
»Wie kommst du darauf?«
»Einfach so. Glaubst du?«
Ich denke nach. »Für Krishna war es eine Tatsache. Wenn ich es mir heute überlege,

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