Schwarzes Blut
von Hoffnung und Glauben. Während Yaksha seinen letzten Atemzug tut, flüstere ich ihm ins Ohr, daß ich meinen erst dann tun werde, wenn der Feind tot ist.
Ein Versprechen, das nicht nur Yaksha, sondern auch Krishna gegenüber gilt.
13.
KAPITEL
Wieder befinde ich mich vor dem Haus von Edward Fenders Mutter. Es ist halb zwölf abends. In zehn Tagen ist Weihnachten. Überall auf der Straße hängen scheußliche Billiglichterketten, die Stimmung vorgaukeln sollen. Ich sitze im Streifenwagen von Gary und Bill und lasse meine Sinne auf Hochtouren arbeiten. Mein Gehör ist mir dabei der beste Verbündete. Sogar die kriechenden Würmer im Erdboden, Hunderte von Metern entfernt, kann ich noch feststellen. Mrs. Fender ist noch auf, sie sitzt im Schaukelstuhl und liest ihre Zeitschriften. Eingeschaltet hat sie irgendeine Jesus-rettet-auch-dich-Sendung. Sie ist mit Sicherheit allein zu Hause, und ich bin auch ziemlich überzeugt davon, daß Eddie sich nicht in der Nähe aufhält.
Was mich verwirrt. Daß Eddie seinen Eiswagen unbeaufsichtigt gelassen hat, kann ich verstehen – bei dem Polizeiaufgebot am Lagerhaus und bei seiner Zuversicht, sich ein sicheres Versteck für Yaksha ausgesucht zu haben. Aber was ich nicht verstehe, ist, daß er mir seine Mutter so schutzlos als Geisel präsentiert. Mittlerweile muß er doch mitgekriegt haben, daß ich über sie zum Lagerhaus gelangt bin. Wieder eine Falle?
Mit Yakshas Blut in den Adern ist meine Kraft wieder auf einhundert Prozent, vielleicht sogar auf hundertzwanzig. An Eddie komme ich aber trotzdem noch lange nicht heran, denn er hat Yakshas Blut ja oft und über Wochen zu sich genommen. Leider ist mein Zustand aber instabil. Nach Yakshas letztem Atemzug hatte ich den Ölsack um seinen Unterleib mit Steinen beschwert, war ins Wasser gewatet und hatte ihn versenkt. Dabei vergewisserte ich mich, daß seine Überreste dieses Mal unbehelligt bleiben würden. Niemand soll sie je finden. Doch er hat mich mit einem Rätsel zurückgelassen, das ich nicht lösen kann. Krishna hat ihm seine Geschichte vor fünftausend Jahren erzählt. Wieso war sich Yaksha so sicher, daß Krishna sie ihm erzählt hat, damit er sie mir für diesen Notfall hier weitererzählen sollte? Ich sehe keine Möglichkeit, wie ich Eddie dadurch vernichten soll, indem ich vor ihm tanze. Das Wort Glaube klingt in meinen Ohren so abstrakt wie das Wort Gott. Daß in meiner Geschichte hier schon alles gutgehen wird, daran glaube ich ungefähr so fest wie daran, daß der Weihnachtsmann mir eine Flasche Blut auf den Gabentisch legen wird.
Was also soll ich tun?
Einen richtigen Plan habe ich nicht, außer dem ganz naheliegenden: Mrs. Fender als Geisel nehmen, Eddie zwingen, nach Hause zu rennen und ihm dann, falls möglich, eine Kugel in den Kopf jagen. Auf meinem Schoß liegt die Dienstwaffe von Gary. Oder von Bill. Egal. Jedenfalls lag sie in ihrem Wagen und ist mit sechs Kugeln geladen. Ich stopfe sie mir vorne unter das Hemd, steige aus dem Wagen und gehe auf das Haus zu.
Ich klopfe nicht an. Warum auch? Sie macht mir ja doch nicht auf. Ich packe den Türgriff, breche das Schloß auf und bin schon bei ihr, bevor sie auch nur die Fernbedienung in die Hand nehmen kann. Die Amerikaner von heute haben es mächtig mit Fernbedienungen. Sie sind für sie so etwas wie Phaser – diese Strahlenwaffen der Besatzung von Raumschiff Enterprise –, mit denen sich alles niedermachen läßt, was im Weg steht. Mrs. Fenders ohnehin schon verzerrten Züge sind nun auch noch von Angst und Abscheu entstellt. Für mich sind diese Gefühle jedoch auch der Beweis dafür, daß sie wieder bei klarem Verstand ist. Wie schön für sie. Ich umfasse ihre Kehle, drücke die Frau gegen die Wand und blase meinen kalten Vampir-Atem in ihr häßliches Gesicht. Meine Hose, die ich anhatte, als ich Yaksha im Wasser begraben habe, tropft auf den Holzfußboden, während ich meinen Griff um die alte Dame noch verstärke. Mit ihren merkwürdig grauen Augen starrt sie mich an, und dabei verändert sich ihr Ausdruck. Daß sie mir derart bewegungsunfähig ausgeliefert ist, macht ihr zwar angst, macht sie gleichzeitig aber auch an. Was für eine Familie.
»Wo ist Ihr Sohn?« frage ich.
Sie hustet. »Wer sind Sie?«
»Eine der Guten. Ihr Sohn ist einer der Bösen.« Ich würge sie ein bißchen. »Wissen Sie, wo er ist?«
Kaum wahrnehmbar schüttelte sie den Kopf. Dabei läuft sie etwas blau an. »Nein.«
Sie sagt die Wahrheit. »Haben Sie ihn heute abend
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