Schwarzes Blut
bereits hatte.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte ich.
Wieder schaut Yaksha mich an. Er berührt meine Wange, dort, wo meine rote Träne einen traurigen Fleck hinterlassen hat. Doch er lächelt nur, als er mein Blut berührt, er, der selbst so unvorstellbaren Schmerz erlitten hat. Wie kann er bloß lächeln? Selbst mitten in seinem Untergang geht ein Leuchten von ihm aus, und ich erkenne, daß er wie das Meer ist, das er so sehr liebt, in Frieden mit den Wellen, die über ihn hinwegspülen. Es ist wirklich so: Wir werden das, was wir lieben, oder das, was wir hassen. Wenn ich ihn doch noch hassen könnte – dann hätte ich Anteil an seinem Frieden. Bei all dem, was ich verloren habe, habe ich Angst, mich ihm in Liebe zu nähern.
Aber ich mache mir selbst etwas vor. Ich liebe ihn genauso, wie ich Krishna liebe. Er ist noch immer mein Dämon, mein Liebhaber, mein Verzauberer. Ich senke den Kopf vor ihm und lasse ihn meine Haare streicheln. Seine Berührung schmerzt nicht; vielmehr verschafft sie mir einen kleinen Trost.
»Was ich sagen will«, fährt er fort, »ich wußte, daß du kommen würdest. Ich wußte, daß du mich von meiner Qual erlösen würdest. Und das hast du ja dann auch. Genauso weiß ich, daß du ihn vernichten wirst. Er hat diese langen Nägel in mich hineingeschlagen, hat sich mein Blut genommen, hat gelacht und mir gesagt, die Welt sei jetzt sein. Und doch: Als du mich gefunden hast und Krishnas Geschichte angehört hast, da wußte ich, daß du ihn vernichten würdest. Damit rettest du die Welt und erfüllst mein Versprechen. Diesen Glauben habe ich, Sita. Gott hat ihn mir gegeben. Bitte, vertraue ihm, so wie ich ihm vertraue.«
Ich bin durch und durch erschüttert. Ich, der eiskalte Vampir. Ich zittere vor ihm wie ein kleines Mädchen, das sich verlaufen hat. Als ich ihm begegnete, vor langer Zeit, da war ich jung, und in all der Zeit bin ich nicht reif geworden. Jedenfalls nicht so, wie Krishna es sich für mich vorgestellt hätte. Ich weiß, daß ich Yaksha nun verlieren werde, daß er mich bitten wird, ihn zu töten, und allein der Gedanke daran ist mir unerträglich.
»Ich verstehe nicht, was die Geschichte zu bedeuten hat«, flüstere ich. »Kannst du es mir nicht sagen?«
»Nein. Ich weiß selbst nicht, was sie bedeuten soll.«
Ich hebe den Kopf. »Dann sind wir verflucht!«
Behutsam nimmt er eine Haarsträhne von mir in die Hand. »Früher haben uns viele so genannt. Heute aber wirst du sie ihre Worte bereuen lassen, denn du wirst ihr Retter sein. Finde ihn, Sita, verzaubere ihn. Ich war genauso mächtig wie er, als ich damals zu dir kam und aus dir das machte, was du noch heute bist. Freiwillig bin ich nicht gekommen. Du hattest mich verzaubert, und dabei war ich ein Monster und genauso verdorben wie dieser Eddie heute.«
Ich nehme seine Hand. »Aber ich wollte dich nie wirklich vernichten.« Er will etwas sagen, aber ich schüttele rasch den Kopf. »Nein, bitte sag es nicht.«
»Es muß sein. Du brauchst die Stärke meines Bluts. Das ist das mindeste, was ich dir geben kann.«
Ich führe mir seine Hand an den zitternden Mund, achte dabei aber auf seine Finger und lasse sie mir nicht zu nahe an die Zähne kommen. Ich will ihn auf gar keinen Fall verletzen! Aber wie soll ich dann von ihm trinken?
»Nein«, sage ich.
Sein Blick schweift zurück zum Meer. »Doch, Sita. Es ist die einzige Möglichkeit. Und dieses Mal bin ich näher daran. Ich kann es sehen.« Er schließt die Augen. »Ich erinnere mich an ihn, als hätte ich ihn erst gestern zuletzt gesehen. Als sähe ich ihn jetzt in diesem Augenblick.« Er nickt still vor sich hin. »Gar keine so schlechte Art zu sterben.«
Ich hatte den gleichen Gedanken gehabt wie er, und das Leben war trotzdem weitergegangen. Seinen letzten Willen kann ich ihm nicht abschlagen. Er hat schwer gelitten, und es wäre nur grausam, ihn so weiterleiden zu lassen. Ich beuge den Kopf hinunter zu ihm und öffne ihm die Adern. Ich presse die Lippen auf das Fleisch, das mein eigenes Fleisch bis zu diesem seltsamen Moment geführt hat, einem Moment, der auf traurige Art und Weise einen Widerspruch von Macht und Schwäche in sich birgt, von hoffnungslosen Wesen, die sich in Zeit und Raum verloren haben, dort, wo die Sterne am Himmel stehen und wie der Segen des allmächtigen Gottes auf uns herabscheinen oder wie der Fluch eines gleichgültigen Universums. Der Blutgeschmack gibt meiner Seele jedoch neue Kraft; ich trinke und verspüre dabei einen unverhofften Schimmer
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