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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber
Autoren: Wolfgang Burger
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jemand geschlampt hatte beim Protokollsschreiben. Der Zeuge hieß Jörg Petermann, war von Beruf Webdesigner bei einer Werbeagentur in Hirschhorn. Und natürlich hatte er Urlaub, denn anscheinend hatte ja zurzeit jedermann Urlaub außer mir. Mein Glück war, dass er nicht in die Ferne geflogen war, sondern die Ferienzeit nutzte, um mit seiner neuen Aprilia die heimische Gegend unsicher zu machen. Und er hatte ein Handy.
    Nach dem dritten Tuten nahm er ab. Nach den Geräuschen im Hintergrund zu schließen, saß er schon jetzt, am frühen Vormittag, in irgendeinem Biergarten und ließ es sich gut gehen.
    »Also, ich versteh jetzt grad nicht ganz …«
    »Sie hatten auf dem Königstuhl Ihr Schlummerbier getrunken.«
    »Aber nur eins. Höchstens zwei. Wir waren nicht besoffen!«
    »Mir geht es um etwas anderes. Es war wenige Tage nach Neumond. In der Nacht muss es stockfinster gewesen sein. Und ich würde zu gerne wissen, wie Sie die Frau entdecken konnten, ohne etwas zu sehen.«
    »Hm. Wo Sie recht haben, haben Sie recht.« Er überlegte. Jemand erzählte einen Witz, der brüllende Heiterkeit auslöste.
    »Ich meine … ja, ich hab die Taschenlampe genommen. Jetzt erinnere ich mich. Am Schlüssel von der Maschine hab ich so eine kleine LED-Lampe, und die hab ich genommen.«
    »Die Frau lag am Fuß der Böschung. Drei bis vier Meter von der Straße entfernt. Sie hätten doch einfach an den nächstbesten Baum pinkeln können?«
    »Ich … da war irgendwas. Ein Geräusch. Drum hab ich dann wohl die Lampe angeknipst und geguckt, was da unten war und …«
    Geduldig wartete ich auf die Fortsetzung. Den Mann jetzt zu drängen, wäre das Falscheste gewesen, was ich tun konnte.
    »Dass ich das hab vergessen können«, sagte er plötzlich. »Da hat was geraschelt, da unten. Und drum hab ich das Lämpchen angeknipst, aber es war dann gar nichts zu sehen. Nur so ein helles Bündel eben. Hat wieder so eine Drecksau ihren Müll in die Landschaft gekippt, hab ich noch gedacht. Und dann wurd mir klar, da liegt wer.«
    »Sie haben also sonst nichts gesehen?«
    »Bloß die Frau. Da wusst ich natürlich noch gar nicht, dass es eine Frau war …«
    »Es könnte sein, dass Sie den Täter gestört haben.«
    Jörg Petermann schnappte nach Luft. »Sie meinen, ich hätte den Killer verscheucht? Dann hätte ich ihr ja sozusagen das Leben gerettet? Ey, das kriegt man echt nicht alle Tage!«
    Das Gelächter im Hintergrund brandete wieder auf. Als ich auflegte, verspürte ich eine überwältigende Lust auf ein eiskaltes Bier im Schatten großer Bäume.

8
    Als ich die stumme Frau am späten Vormittag wiedersah, wurde mir klar, dass es nicht Susis dunkle Augen waren, von denen ich geträumt hatte. Wie beim letzten Mal sah mich die Fremde aufmerksam an, nicht unfreundlich, eher ein wenig fragend, neugierig. Wacher kam sie mir heute vor. Es schien ihr besser zu gehen. Aber da war eine Trauer in ihrem Blick, eine stille Verzagtheit, die ich bisher nicht bemerkt hatte.
    Sie trug dasselbe ausgesucht hässliche Nachthemd, das sie schon im Uniklinikum getragen hatte. Ein billiges, kurzärmliges Ding, weiß mit verwaschenen roten Punkten, die vielleicht Kirschen sein sollten.
    Die Verlegung hatte problemlos geklappt. Das mindestens hundert Jahre alte Sankt-Josefs-Krankenhaus lag nur wenige Schritte von meiner Wohnung entfernt und wirkte wesentlich einladender als der moderne, unübersichtliche Bau der Uniklinik. Zudem hatte es die merkwürdige Eigenschaft, innen viel größer zu sein, als es von außen wirkte. Hier hatte unser Sorgenkind zwar kein eigenes Zimmer, was aber eigentlich ein Vorteil war. Auf diese Weise war sie nicht allein und ein neuer Mordanschlag noch unwahrscheinlicher als ohnehin schon. Niemand hier wusste etwas vom wahren Schicksal der neuen Patientin. Man kannte sie als Mrs Miller, eine englische Touristin aus Stafford, die beim Besichtigen des Schlosses eine steile Treppe hinuntergestürzt war.
    Balke und ich waren übereingekommen, auf eine ständige Bewachung zu verzichten. Erstens fehlten uns im Augenblick die Leute dafür, und zweitens wussten nur zwei oder drei Menschen außerhalb der Polizeidirektion, wo sie sich jetzt aufhielt. Ob ihre Zimmergenossin im Krisenfall wirklich ein Schutz sein würde, erschien mir allerdings fraglich, als ich sie sah. Frau Schreiner war eine fette alte Matrone, die auf dem Rücken lag und schnarchte, dass der Boden bebte.
    Die junge Schwester, die mich begleitete, vermied es, mir in die Augen zu
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