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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber
Autoren: Wolfgang Burger
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Kopf.
    »Welche Zimmernummer hat man Ihnen genannt?«
    Schönfeld kramte ein Zettelchen aus der Hemdtasche. »Dreihun … Ja, sehen Sie, dreihundertzwölf. Ich verstehe das ja auch nicht. Verstehen Sie das vielleicht?« Hoffnungsvoll blickte er mich an.
    »Sie sind hier in der Neurologie«, gab ich zu bedenken. »Vielleicht ist es die falsche Klinik?«
    »Dann muss ich die Herren wohl um Entschuldigung bitten.« Ratlos sah er von einem zum anderen. »Aber was ist denn hier eigentlich los? Warum wird man hier niedergeschlagen, bloß, weil man versehentlich ein falsches Krankenzimmer betritt?«
    In der Sorge um seine verunglückte Frau war Schönfeld blind in Zimmer 312 gestürzt, dort im Halbdunkel mit dem Schutzpolizisten zusammengekracht, der sich inzwischen seine anschwellende Beule mit einem nassen Waschlappen kühlte. Er war rückwärts gestolpert, hatte sich am Bettgestell kräftig den Schädel gestoßen und vermutlich sogar vorübergehend das Bewusstsein verloren. Daraufhin hatte Schönfeld erst einmal den Rückzug angetreten, nur um in nächster Sekunde auf dem Flur von Runkel niedergestreckt zu werden.
    »Nun ja«, meinte Schönfeld tapfer, nachdem ich ihn über die Hintergründe des Massakers aufgeklärt hatte. »Ich dachte, es ist ein Überfall. Jetzt werde ich also überfallen, habe ich gedacht, und meine arme Cäcilia, die liegt da drin und wird als Geisel gehalten.«
    »Und dann haben Sie versucht, sich zu Ihrer Frau durchzuschlagen.«
    Er nickte. Schüttelte den Kopf. Nickte wieder. »Es ist mir gelungen, mich von diesem …« Ein giftiger Blick traf Runkel. »… von diesem Herrn hier zu befreien, und wo sollte ich sonst auch hin? Aus der Tür da drüben kam ja noch ein zweiter verdächtig aussehender Mann, sogar mit einer Waffe in der Hand, und da habe ich mich hinter diese Tür gerettet, sie verbarrikadiert und die Polizei angerufen. Was für ein Glück, dass Sie so rasch haben kommen können, Herr … wie war noch gleich der Name?«
     
    Kurze Zeit später saß ich wieder in meinem Peugeot und fuhr nach Hause. Fünf vor sechs, die Sonne stand schon am Himmel, Heidelberg erwachte. Vor allem der Berufsverkehr. So brauchte ich fast zwanzig Minuten bis in die Kleinschmidtstraße und weitere zehn, um einen halbwegs legalen Parkplatz zu ergattern, denn in der Weststadt macht man sich nicht gar so früh auf den Weg zur Arbeit.
    In der vergangenen Nacht hatte ich wieder einmal von Theresa geträumt. Ich vermisste sie. Ziemlich. Sehr. Warum fand dieses gefühlskalte Weib nicht einmal die Zeit, die SMS zu beantworten, die ich ihr gestern Abend geschrieben hatte?
    Und wenn mich meine Erinnerung nicht narrte, dann war nach vielen Monaten auch Vera wieder einmal in meinen Träumen vorgekommen, meine vor zwei Jahren verstorbene Frau, mit der ich fast zwanzig Jahre zusammengelebt und zwei Kinder in die Welt gesetzt hatte. Töchter, die nun ohne Mutter aufwachsen mussten. Veras überraschender Tod war ein furchtbarer Schlag gewesen. Wochenlang war ich wie betäubt durch die Gegend getaumelt, hatte meine Arbeit vernachlässigt, allerhand Mist gebaut, den andere mit Mühe ausbügelten, um mir das eine oder andere Disziplinarverfahren zu ersparen. Eine Weile hatte ich auch entschieden zu viel getrunken. Und immer, immer hatte ich mich schuldig gefühlt, obwohl ich natürlich nicht die geringste Verantwortung für Veras Tod trug. Fühlen wir uns nicht immer schuldig, wenn wir übrigbleiben? Weil wir weiterleben dürfen und der andere nicht? Weil wir vielleicht hie und da nicht so aufmerksam waren, wie wir es hätten sein sollen? Nicht freundlich, nicht liebevoll, nicht verständnisvoll genug?
    Die Luft war noch angenehm frisch. Die Sonne hatte noch nicht diese zerstörerische Kraft, die sie in den nächsten Stunden entwickeln würde. Ich schlenderte die Straßen entlang zu dem Haus, wo wir wohnten, fühlte mich plötzlich merkwürdig wohl und fand, man sollte eigentlich öfter früh aufstehen.
    Unsere Ehe war nicht immer einfach gewesen. Keine Rama-Idylle, sondern oft genug auch Streit und Wut und Türenknallen. Und dennoch oder vielleicht gerade deshalb hatte ich mich so unvorstellbar mies gefühlt. Charakterlos, gemein, undankbar, ja hinterlistig. Weil ich lebte und sie tot war. So einfach war das. Irgendwann wurde mir damals klar, dass ich nur mit Anstand würde weiterleben können, wenn ich den Ort wechselte, den Job, die Wohnung.
    Ein dunkelhäutiger Junge mit schwarzem Kraushaar kam mir entgegen, der unter seiner
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