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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber
Autoren: Wolfgang Burger
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Martinshorn näherkommen. Vermutlich hatte Runkel gleich auch noch das Sondereinsatzkommando zur Verstärkung angefordert. Was vielleicht ausnahmsweise keine dumme Idee war.
    »Melden Sie sich bitte!«, rief ich. »Wir können über alles reden. Machen Sie es nicht noch schlimmer, als es ist!«
    Wieder keine Antwort.
    Ich wandte mich an einen neben mir stehenden, grünhaarigen Pfleger. »Gibt’s da drin ein Telefon? Kann man da anrufen?«
    »Klar kann man das.«
    Er wusste die Nummer auswendig, und ich tippte sie in mein Handy. Noch ehe ich damit fertig war, öffnete sich eine der Aufzugtüren. Zwei uniformierte Kollegen stürzten mit hochroten Köpfen heraus, sahen mich, blieben entgeistert stehen, steckten zögernd ihre Waffen weg.
    »Sie sind ja schon da!«, stieß der Kleinere der beiden enttäuscht hervor. Sein Gesicht zierte ein schmales Schnurrbärtchen, das sicherlich jeden Morgen viel Arbeit machte.
    »Wir haben echt gedacht, diesmal sind wir die Ersten«, sagte der andere frustriert, der einen pflegeleichten Schnurrbart der Kategorie Seehund trug.
    »Wer hat Sie denn alarmiert?«, fragte ich.
    »Na, die Zentrale. Überfall im Klinikum, hat’s geheißen. Neurologie, da sind wir doch hier richtig, oder? Das ist doch hier die Neurologie?« Für einen Moment schien er zu hoffen, die falsche Hochzeit erwischt zu haben und eventuell doch noch irgendwo der Erste zu sein.
    Ich wandte mich an Runkel. »Waren Sie das? Haben Sie die Zentrale alarmiert?«
    Der schüttelte betreten den Kopf. »Ich hab nur Sie angerufen. Hab gedacht, Sie werden dann schon wissen …«
    Ich sah mich im Flur um. Niemand hob die Hand. So wählte ich schließlich die Hundertzehn, und Sekunden später konnte ich die Umstehenden darüber aufklären, dass ein gewisser Herr Schönfeld die Polizei gerufen hatte. Niemand fühlte sich angesprochen.
    »Gibt es hier einen Herrn Schönfeld?«, rief ich, damit es auch die in den hinteren Reihen hörten.
    »Ja«, tönte es leise. »Sind Sie die Polizei? Das hat ja eine Ewigkeit gedauert!«
    Die Stimme kam eindeutig aus Zimmer 312.
    Ich sah Runkel an. Der sah zu Boden.
    »Gerlach ist mein Name«, rief ich. »Kripo Heidelberg. Nicht aufregen. Ich komme jetzt rein.«
    »Warten Sie«, antwortete Schönfeld. »Ich muss erst das Bett von der Tür rücken.«
    Minuten später saßen wir im Krankenzimmer, und nach und nach klärte sich die Situation. Herr Schönfeld, ein gepflegter älterer Herr mit schlohweißem, feinem Haar und Goldrandbrille war keineswegs Preisboxer, sondern stellvertretender Produktionsleiter einer Eppelheimer Obstsaftfabrik. Er stand kurz vor seiner Pensionierung, war alles andere als kräftig gebaut und schien auch keinerlei Sport zu treiben. Zudem war er ziemlich glücklich verheiratet, wie er mir bereitwillig erzählte, und hatte zwei sehr wohlgeratene Kinder im Alter von einundzwanzig und siebenundzwanzig Jahren. Söhne, die ihm nur Freude bereiteten. Und er redete gerne.
    »… und dann hat heute Morgen das Telefon geklingelt. Cäcilia hatte einen Unfall, hieß es, und sie liegt im Krankenhaus, hieß es. Sie war im Kino mit zwei Freundinnen, im neuen James Bond. Cäcilia, das ist meine Frau. Wir sind seit achtunddreißig Jahren verheiratet. Das macht sie öfter mit ihren beiden Freundinnen, und manchmal trinken sie anschließend noch ein Gläschen oder auch zwei und reden. Hin und wieder wird’s schon mal ein bisschen später, wenn die drei zusammenhocken. Drum habe ich auch gar nicht gemerkt, dass Cäcilia nicht heimgekommen ist. Wir schlafen seit einigen Jahren getrennt, und außerdem bei der Hitze, ich schlafe da immer wie ein Toter. Sie haben schon in der Nacht mehrfach versucht, mich anzurufen …«
    »Wer?«
    »Eine der Freundinnen. Renate, Renate Schöller. Ihr Mann ist Steuerberater und hilft mir netterweise immer ein bisschen bei der Steuererklärung. Cäcilia ist unglücklich gestolpert. Sie hatte aber nicht zu viel getrunken, nicht dass Sie das denken. Sie war ja mit dem Auto unterwegs. Etwas in der Mittelhand ist gebrochen, so ganz habe ich es nicht verstanden in meinem Schrecken. Und es ist irgendwie ein wenig kompliziert.«
    Runkel versuchte, im Boden zu versinken, aber es gelang ihm nicht. Schönfeld hatte nicht die leiseste Ähnlichkeit mit dem Mann, den wir erwartet hatten. Während er sprach, massierte er sich die ganze Zeit die rechte Hand, mit der er zugeschlagen hatte. Der schlaksige, rothaarige Kollege, der im Krankenzimmer Wache gehalten hatte, hielt sich den
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