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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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nichts dafür. Sie hat ja keine Augen an den Füßen.«
    Ich besah mir das Malheur, aber anscheinend hatten wir noch einmal Glück gehabt. Bis auf einen großen blauen Fleck war alles heil. Zähneknirschend behauptete sie, es tue schon praktisch gar nicht mehr weh.
    »Wir sind vorhin bei Silke gewesen und haben im Internet nach Pferden geguckt«, eröffnete mir Sarah, während Louise ihr Ringelsöckchen wieder anzog.
    »Die sind gar nicht so teuer, wie man denkt.« Louise deutete auf einige farbige Computerausdrucke, die auf dem Couchtisch lagen. »Der Hengst hier zum Beispiel – bloß achthundert Euro, und dabei sieht er doch echt gut aus.«
    Das fand auch ich erstaunlich preiswert, denn der stolz glänzende Rappe auf dem Foto wirkte keineswegs wie eine Schindmähre. Ich hatte eher mit dem Zehnfachen gerechnet. Aber dann entdeckte ich den Fehler.
    »Das ist nicht der Kaufpreis, sondern die Deckprämie.«
    »Die was?«, fragten sie im Chor.
    »Na ja, das … Wenn man eine Stute hat und möchte, dass sie schwanger wird, dann bringt man sie zu so einem preisgekrönten Hengst, wie zum Beispiel diesem hier und … den Rest könnt ihr euch denken.«
    Sarah schnappte nach Luft. »Man soll acht-hun-dert Euro dafür hinlegen, dass der eine Stute poppt?«
    »So würde ich es zwar nicht ausdrücken, aber im Prinzip …«
    »Normalerweise, also …« Auch Louise war empört. »Normalerweise läuft das doch andersrum, oder nicht?«
    Ich blätterte weiter und fand nicht nur Hengste, deren Liebesdienste sich ihr Besitzer vergolden ließ, sondern auch Pferde, die wirklich zum Verkauf angeboten wurden. Die Preise begannen bei etwa zweitausend und endeten im völligen Irrsinn.
    »Zweitausend?« Sie sahen sich an. »Das schaffen wir.«
    »Locker!«
    Sie erhielten im Monat jede zwanzig Euro Taschengeld, hin und wieder etwas Geld von Oma und hatten so gut wie nichts auf ihren Sparbüchern.
    »Ihr müsstet auf eine Menge neue Klingeltöne für eure Handys verzichten«, warf ich ein, »dreihundert Mal Kino, tausend Hamburger …«
    »Wir essen ja keine Hamburger«, wies Sarah mich zurecht. »Wir sind doch Vegetarier.«
    »Und Paps, wenn wir die Hälfte zusammenhaben, dann gibst du uns doch den Rest dazu, ja?«, fragte Louise.
    »Mal sehen.« Ich würde mich jetzt nicht einwickeln lassen. Ich würde nichts versprechen, was mir später leidtat. Weiß der Teufel, welchen Plan die beiden gerade ausheckten. »Jetzt seid erst mal ihr am Zug.«
    Mit ein wenig Glück würde sich ihr Enthusiasmus gelegt haben, bevor sie die ersten hundert Euro zusammenhatten. So war es schon immer gewesen. Monatelang konnten sie einen in den Wahnsinn treiben wegen irgendeines neuen Spielzeugs oder später wegen einer bestimmten Jeansmarke, nur um dann, wenn das so heiß Herbeigesehnte endlich angeschafft war, umgehend jedes Interesse daran zu verlieren. Was hatten sie uns die Ohren vollgejammert, sie müssten un-be-dingt Gitarre spielen lernen. Sie könnten nicht mehr leben ohne Gitarren. Jeder spiele heutzutage Gitarre, jeder. Gitarrespielen sei überhaupt das Allergrößte im Leben eines Mädchens. Endlich hatten wir nachgegeben, die Freude war unermesslich, der Kauf der Instrumente ein veritabler Staatsakt, Noten mussten her, Notenständer vom Feinsten, Stimmgabeln und was weiß ich. Kurse wurden belegt, das Kinderzimmer umgeräumt, und nach vier Wochen hörte man niemals mehr einen einzigen musikalischen Ton von ihnen.
    Hinhalten, auf Zeit spielen, sich auf nichts festlegen, das war hier die Taktik der Wahl.
    Louise humpelte hinter ihrer Schwester her ins Mädchenzimmer, und keine zehn Minuten später erschienen sie wieder, nun nicht mehr im Reiterdress, sondern in ihrer üblichen, für meinen Geschmack viel zu offenherzigen Freizeitaufmachung. Sarah trug eine orangefarbene Decke unterm Arm, Louise eine bunte Leinentasche mit ihren Badesachen über der Schulter.
    »Gehn noch an den Neckar.« Sarah schenkte mir ihr zweitnettestes Lächeln und tat so, als wäre es bei uns plötzlich nicht mehr üblich, um Erlaubnis zu fragen. »Bisschen abchillen, paar Leute treffen.«
    »Um zehn sind wir wieder da«, fügte Louise hinzu. »Spätestens halb elf.«
    Und schon waren sie verschwunden.
    Ich kramte in meinen alten Platten und fand auf einem Sampler tatsächlich den Titel, den ich gestern Abend in Susis Bar gehört hatte: Corcovado, Quiet Nights of Quiet Stars.
    Das ganze Jahr über freut man sich auf den Sommer. Ist er endlich da, dann hängt man herum, schimpft auf

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