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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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die Hitze und weiß nichts mit sich anzufangen. Radfahren? Um Gottes willen! Joggen? Der sichere Tod. Alleine irgendwo essen gehen? Langweiliger als langweilig. Ich versuchte es mit Lesen.
    Tucholsky hatte endlich seine Sommeridylle gefunden und den Ort, wo er sich wenige Jahre später das Leben nehmen sollte. Mariefred, Schloss Gripsholm. In diesem Buch war noch nicht viel zu spüren von den heraufziehenden Gewittern des zweiten Weltkriegs. Junge Liebe, in der man sich noch Frechheiten sagen kann, Sonne, Wasser und das Lästermaul von Prinzessin Lydia.
    Aber ich kam nicht weit. Die zärtliche Musik eignete sich nicht für Stunden, in denen die Sonne schien. Auf das Buch konnte ich mich nicht konzentrieren, und so stieg ich schließlich in meinen alten Kombi und fuhr zum Königstuhl hinauf, in der Hoffnung auf ein wenig Kühle und das kalte Getränk, das mir seit dem morgendlichen Telefonat mit dem Motorradfahrer vor Augen schwebte.
    Leider war ich nicht der Einzige, dem diese Idee gekommen war. Die Terrasse war überfüllt, aber ich fand am Ende doch ein Plätzchen ganz hinten an einem Tisch voller durchgedrehter älterer Damen, Mitglieder eines Bridgeclubs aus Germersheim, die mich kurzentschlossen adoptierten, ständig mit mir anstoßen wollten und mir nicht eine Sekunde Ruhe gönnten. So leerte ich zügig mein Weizenbier und sah zu, dass ich weiterkam. Und wunderte mich kein bisschen, als ich Minuten später wieder an der Stelle stand, wo vor mehr als drei Wochen die verletzte Frau gefunden wurde. Das Absperrband war inzwischen verschwunden. Nichts erinnerte mehr daran, dass sich hier der letzte Akt eines Gewaltverbrechens ereignet hatte.
    Den Peugeot hatte ich einige Schritte weiter unten geparkt, wo er den Verkehr nicht allzu sehr behinderte, und nun saß ich am Rand der Böschung, an deren Fuß die Frau gelegen hatte, sah hinunter und fand nichts als Leere in meinem Kopf.
    Immerhin war die Temperatur hier oben erträglich. Die Sonne stand jetzt tief, der Hang lag im Schatten. Irgendwo raschelte ein kleines Tier im Laub, eine Maus vielleicht. Einmal fuhr ein bunter Bus langsam die Straße nach Waldhilsbach hinunter, später donnerte ein Pulk chromüberladener Harleys zum Königstuhl hinauf. Es war so still, dass ich sie hören konnte, bis sie zehn Minuten später oben die Motoren abstellten. Nachdem der Abgasgeruch der Motorräder sich verzogen hatte, duftete es wieder nach trockenem Laub und Harz.
    Vermutlich zum hundertsten Mal überlegte ich, was geschehen sein mochte, bevor die Frau die Böschung hinabgerollt war. Verwertbare Fußabdrücke hatte die Spurensicherung dort unten nicht gefunden. Kein Wunder, denn der Boden war aufgrund der langen Trockenheit hart und trocken. Wenn der verhinderte Mörder sich tatsächlich noch dort aufgehalten hatte, als die Motorradfahrer kamen, wohin war er geflüchtet? Die Männer hatten übereinstimmend ausgesagt, nirgendwo am Straßenrand einen Wagen gesehen zu haben. Sollte er sein Opfer zu Fuß hierher geschleppt haben? Unwahrscheinlich. War das, was ich hier aufzuklären versuchte, das unglückliche Ende eines Schäferstündchens im Wald? Ausgerechnet hier, weitab von jedem Parkplatz? Es gab romantischere Stellen im Umkreis von Heidelberg für ein solches Vorhaben.
    Unser Labor hatte fast keine Spuren an Körper und Kleidung der Frau gefunden. Ein paar Wollfasern, blau und grün, von einem Pullover vielleicht, einem T-Shirt oder einer bunten Picknickdecke. Außerdem andere Fusseln, die von einem Teppich stammen mochten. Nicht einmal eine Reifenspur hatten wir, keinen Zeugen, nichts, was Rückschlüsse auf den Gegenstand erlaubt hätte, mit dem der Täter ihr fast den Schädel eingeschlagen hatte.
    »’n Abend«, tönte eine sonore Männerstimme von unten. Ein eleganter Mann trat aus einem Wäldchen, von Kopf bis Fuß dunkelgrün gekleidet und mit einer Flinte über der Schulter. Ich grüßte wortkarg zurück und hoffte, nicht in ein Gespräch verwickelt zu werden.
    Ich hoffte vergebens.
    »Hier kann man’s aushalten, was?«, meinte er aufgeräumt und stieg mit sicheren Schritten ein Stück zu mir herauf. Als er ungefähr die Fundstelle erreicht hatte, blieb er stehen. »Ich sag’s ja immer, bei so einer Affenhitze, da ist es am besten im Wald.«
    Susi hätte auf Steuerberater getippt. Oder Zahnarzt.
    »Da haben Sie recht. In der Stadt wird man wahnsinnig«, sagte ich, um nicht unhöflich zu sein.
    »Hier hat man vor ein paar Wochen eine schwer verletzte Frau

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