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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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hereingebrochen, und von Minute zu Minute fiel es mir schwerer, meine Schritte sicher zu setzen. Mehr als einmal musste mein geduldiger Führer mir buchstäblich unter die Arme greifen. Ich hielt meine blonde Beute so weit wie möglich von mir und meinte schon, die ersten ausgehungerten Läuse auf meinem Unterarm zu spüren.
    Ein Ast zerkratzte mir das Gesicht.
    »Wieso?«, fragte Böhm amüsiert. »Das ist doch kinderleicht. Wenn Sie aufwärts gehen, dann stoßen Sie irgendwann unweigerlich auf die Straße. Und wenn Sie immer abwärts gehen, dann stehen Sie früher oder später am Neckar, weil hier alles Wasser zum Neckar fließt. Sie müssen nur immer stur am Bach entlang wandern.«
    Manche Dinge sind so einfach, wenn der Richtige sie einem erklärt. Er blieb stehen und suchte etwas in einer seiner Taschen.
    »Aber um ehrlich zu sein …« Grinsend hielt er mir ein kleines elektronisches Gerät mit buntem Bildschirm unter die Nase. »Ich hab im Wald auch immer mein Navi dabei, damit ich auch wirklich wieder heimfinde. Wenn’s dunkel wird, kann man sich hier nämlich höllisch verlaufen.«

9
    Ich war müder aufgewacht an diesem Freitagmorgen, als ich mich am Abend zuvor hingelegt hatte. Langsam wurde die Hitze auch nachts unerträglich, und ich hatte mich ewig im Bett gewälzt. Außerdem hatte der Jäger leider recht behalten. Es waren wirklich massig Läuse in dieser verflixten Perücke gewesen, und obwohl ich das penetrant riechende Ding umgehend in eine Plastiktüte gestopft hatte, die ich zum Glück im Kofferraum fand, hatten es drei oder vier dieser Miniaturvampire geschafft, den Wirt zu wechseln und an mir ihre neue Heimat und Nahrungsquelle zu finden. Zu Hause hatte ich die Tüte dann samt Inhalt einfach in den Gefrierschrank gelegt. Ich entdeckte sieben Bisse am linken und elf am rechten Unterarm. Und je länger ich zählte, desto zahlreicher wurden die juckenden Stellen an meinem Körper.
    Als ich die Küche betrat, verdrückten meine Töchter gerade die Reste ihres Frühstücks – Nutella mit Toast – und waren auf dem Sprung zu ihrem Pferd. Louises Fuß tat kaum noch weh, schwor sie, und Sarah kratzte sich ständig am Rücken. Doch nicht etwa auch die Läuse? Aber nein, das konnte eigentlich nicht sein. Plötzlich begann es mich heftig am linken Fuß zu jucken.
     
    »Das Haar gehört wahrscheinlich zu einer Perücke«, eröffnete mir die Laborantin. »Diese komische organische Substanz ist nämlich Klebstoff.«
    »Ich weiß.« Ich überreichte ihr die inzwischen wieder aufgetaute Tüte, in der hoffentlich nichts mehr lebte. »Hier haben Sie den Rest dazu.«
    Sie setzte sich ans Mikroskop, und Minuten später war klar, dass Haar und Perücke zusammengehörten.
    »Ziemlich primitives Ding«, meinte sie mit einer abschätzigen Grimasse. »Die war bestimmt nicht besonders teuer. Es ist übrigens Blut dran, am Hinterkopf, haben Sie gesehen? Soll ich die Blutgruppe bestimmen?«
    »Das wird nicht nötig sein. Ich denke, ich weiß auch so, auf welchen Kopf das Ding gehört.«
    »Und der Trick mit dem Gefrierschrank, echt genial, muss ich sagen.«
    Im Büro zurück, telefonierte ich mit einer jungen, aufgeweckten Mitarbeiterin der Pressestelle. Spätestens am Nachmittag würde ein retuschiertes Foto an die Medien gehen, versprach sie mir. Ein Foto unserer Unbekannten, auf dem nicht mehr kurze schwarze Locken, sondern langes blondes Haar ihren Kopf zierte.
    Ich hatte kaum aufgelegt, da klingelte mein Telefon schon wieder.
    »Noch was …« Es war die Laborantin. »Hab ich vorhin ganz vergessen. Das Blond, das ist gefärbt. Dieser komische Mopp stammt aus einem Land, wo man nicht so leicht an naturblonde Haare kommt, würd ich sagen.«
    »Volltreffer!«, frohlockte Balke bei der Fallbesprechung, die heute erst am späten Vormittag stattfand, weil ich zuvor einen längeren Termin bei der Staatsanwaltschaft zu überstehen hatte. Dort wurde man langsam ungehalten wegen der Einbrüche. »Unsere Leiche hat in einer Studenten-WG in der Plöck gewohnt, ziemlich am östlichen Ende. Ich fahre nachher mal rüber. Wollen Sie mitkommen?«
    Und ob ich wollte.
    Es war halb zwölf, als wir vor der schäbigen, nachlässig grau gestrichenen Haustür standen und den obersten Klingelknopf drückten. Das Schildchen daneben war vermutlich schon seit Ewigkeiten unleserlich. Im Erdgeschoss des Nachbarhauses befand sich ein altmodisches Hutgeschäft, in unserem Rücken ein bis auf einen ständig gähnenden jungen Mann menschenleeres

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