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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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gefunden. Ganz, ganz üble Geschichte. Ein Raubüberfall, habe ich gelesen.«
    »Was Sie nicht sagen.«
    »Wollte mir das auch mal ansehen.« Er schob mit dem Fuß ein wenig sandige Erde und dürres Laub herum. »Wenn schon mal was passiert hier in der Gegend.«
    Ich ärgerte mich ein wenig darüber, dass er in der Frau nichts weiter sah als eine hübsche Sensation, eine willkommene Abwechslung. Aber er hatte ja nicht ihre Augen gesehen.
    »Was jagt man hier so?«, fragte ich, um vom Thema wegzukommen.
    »Schalwild.«
    »Aha.«
    Er lachte gutmütig. »Rehe, Hirsche und so.«
    Ich lernte, dass Hirsche keineswegs männliche Rehe waren, wie ich seit meiner Kindheit geglaubt hatte, und begann den Moment zu verfluchen, als ich seinen Gruß erwidert hatte.
    »Wissen Sie, es ist viel Leben im Wald. Auch wenn man denkt, hier ist weit und breit nichts. Vermutlich beobachten uns gerade hundert Augen, und eine Menge Wesen hoffen, dass wir zwei uns endlich verdünnisieren, damit sie wieder ihre Ruhe haben.«
    Wie zur Bestätigung kreischte über uns empört ein Vogel.
    »Eichelhäher«, wurde ich aufgeklärt. »Er hasst uns.«
    »Aber er kennt uns doch gar nicht.«
    »Hassen nennen wir Jäger es, wenn ein Tier alle anderen in der Gegend vor einem Feind warnt. Ich habe schon beobachtet, wie Spatzen eine Katze so lange verfolgten und anschrien, bis sie völlig entnervt Leine zog.«
    Tiere warnen nicht nur ihre eigene Art, erfuhr ich weiter, sondern verfügen über ein artenübergreifendes Verständigungssystem, das Esperanto des Waldes. Hier sind zwei von diesen widerwärtigen Zweibeinern, schrie der Eichelhäher über uns. Lasst euch bloß nicht blicken!
    »Sie unterscheiden sogar genau, ob ich die Flinte dabei habe oder nicht«, erklärte mir der Steuerberaterzahnarzt. »Man glaubt es nicht, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Oh …« Er bückte sich und schob ein wenig Buchenlaub zur Seite. »Waschbären! Diese verdammten Mistviecher!«
    Ich erinnerte mich, irgendwo aufgeschnappt zu haben, dass diese liebenswerten Tierchen sich in Mitteleuropa mehr und mehr ausbreiteten und keineswegs von allen Menschen geschätzt wurden.
    Der Jägersmann zählte sogar zu den erklärten Feinden der Gattung.
    »Elende Nesträuber sind das«, schimpfte er. »Papierkörbe räumen sie aus, wie die Aasgeier, fressen alles, was sie durch den Hals kriegen. Und klauen tun sie außerdem noch.«
    »Sie klauen?«, fragte ich amüsiert.
    »Schlimmer als Elstern. Vorgestern zum Beispiel, da hab ich unten am Bach einen Bau gefunden, in einem hohlen Baum. Da hab ich allerdings noch gehofft, er gehört einem Iltis oder irgendwas Harmloserem als diesen … Aber jetzt ist es amtlich, ich seh’s an den Kötteln. Hier hat sich eine Waschbärenfamilie niedergelassen. Und dieser Bau, stellen Sie sich vor, der war mit einer Perücke ausgepolstert! Meinen Sie etwa, die haben die gekauft?«
    »Eine Perücke?« Ich fühlte, wie ich langsam, Zentimeter für Zentimeter, erstarrte. Ein Schauer kribbelte meinen Rücken hinab.
    »Ja«, fuhr der Mann arglos fort, »eine blonde Frauenperücke. Diese Dreckspatzen, ich sag Ihnen …«
    »Haben Sie die noch, diese Perücke?«
    Neugierig sah er zu mir hoch. »Sie sind von der Polizei, stimmt’s? Sie haben ganz genau gewusst, dass hier diese Frau …«
    Über sein Gesicht flog ein Schatten. »Jessas! Sie meinen doch nicht …?«
    Es war eine elende Kraxelei, besonders für mich mit meinen leichten Stadtschuhen, aber eine Viertelstunde später standen wir unversehrt im dichten Unterholz vor dem hohlen Baum, in dem sich ein Waschbärenpärchen häuslich eingerichtet hatte. In der Nähe gurgelte ein Bächlein, und natürlich waren die rechtmäßigen Bewohner nicht anwesend. Vermutlich beobachteten sie uns aus sicherer Entfernung und wünschten uns die Pest an den Hals. Herr Böhm war übrigens weder Steuerberater noch Zahnarzt, sondern ein sehr geschäftstüchtiger Malermeister aus Aglasterhausen. Mit spitzen Fingern zupfte er die arg derangierte Perücke aus der Höhle und überreichte sie mir wie eine Trophäe.
    »Passen Sie bloß auf, sind bestimmt tausend Läuse drin. Waschbären haben immer Läuse. Was soll man anderes erwarten bei dem Gesindel.«
    Auf dem Rückweg zeigte er mir Stellen, wo im Herbst Steinpilze und Pfifferlinge wuchsen.
    »Aber niemandem verraten, versprochen?«
    »Ich würde die Stelle sowieso nicht wiederfinden. Ohne Sie fände ich nicht mal zu meinem Wagen zurück.«
    Inzwischen war die Dämmerung

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