Schwarzes Fieber
machte sie so gut wie nie. Unter den Kollegen galt sie als karrieregeil und humorlos. Aber beides schien sie nicht zu stören. Sie war der Ansicht, als Frau müsse man doppelt so viel arbeiten wie ein Mann, um etwas zu erreichen. Und noch immer nahm sie mir offenbar übel, dass ich ihr letztes Jahr die Stelle des Kripoleiters vor der Nase weggeschnappt hatte.
In den ersten Wochen ihrer neuen Liebe hatte man sie kaum wiedererkannt, so hatten ihre Augen geleuchtet. Manchmal hatte sie sogar gelacht. Irgendetwas musste in ihrem Urlaub gründlich schiefgegangen sein. Heute schien selbst ihre sonst so eindrucksvolle schwarze Lockenpracht Trauer zu tragen.
»Sie wollen nicht darüber sprechen«, konstatierte ich, als sie hartnäckig schwieg. »Kein Problem.«
Ich selbst hatte mir heute ein halbes Hähnchen mit Pommes gegönnt. Wer so viel Rad fährt wie ich zurzeit, der soll auch gut essen.
»Das war ja kein Urlaub!« Wütend funkelte sie mich an. »Das war eine Katastrophe!«
Und dann brachen die Dämme. Zusammen mit ihrem Lover, Agostos, war sie nach Kreta geflogen. Zwei Wochen, zum ersten Mal länger als ein paar Stunden gemeinsam allein.
»Bisschen herumfahren, wir hatten einen Mietwagen, alte Tempel ansehen, die Landschaft, ausspannen, baden, ach …«
Täuschte ich mich, oder glitzerten da sogar Tränen der Enttäuschung in ihren Augen?
»Das klingt eigentlich nach einem guten Plan. Wo war das Problem?«
»Er kann nicht Auto fahren!«, zischte sie. »Sobald wir im Wagen saßen, ging der Krieg los. Wenn ich gefahren bin, dann hat er ununterbrochen herumgemeckert, und spätestens in der dritten Kurve wurde ihm schlecht. Fährt er, dann wird man von Traktoren angehupt, und normalen Menschen schlafen die Füße ein.«
Nun muss man wissen, dass Klara Vangelis eine etwas gewöhnungsbedürftige Art hatte, Auto zu fahren. Regelmäßig fuhr sie mit dem nicht einmal besonders getunten Wagen ihres Vaters kleine Rallyes, die sie fast ebenso regelmäßig gewann. Es gab Kollegen im Haus, die sich weigerten, in einen Wagen einzusteigen, den sie fuhr.
»Sie haben sich gestritten …«
»Gestritten?« Sie bemühte sich, ihre Stimme wieder unter Kontrolle zu bringen. »Wir hätten uns beinahe umgebracht!«
»Vielleicht sollten Sie nächstes Mal lieber ohne Auto Urlaub machen?«
»Es wird kein nächstes Mal geben. Agostos wird allein nie zum Flughafen zurückfinden und am Ende vermutlich irgendwo jämmerlich verhungern. Oder von einem Mähdrescher übersehen und plattgewalzt.«
Es gelang mir, bei der Vorstellung nicht zu grinsen. Enttäuschte Liebe ist nicht zum Lachen.
Inzwischen hatte sie ihr Cordon bleu komplett in kleine Häppchen zersäbelt und das Gemüse sorgfältig zermatscht. Gegessen hatte sie noch nichts. Mir dagegen schmeckte es vorzüglich. Ich war überzeugt, dass es ab jetzt in den Fällen Nunda und Ribeiro – noch musste ich mich an den neuen Namen gewöhnen – rasch vorangehen würde. In wenigen Tagen würden wir den oder die Schuldigen im Verhörzimmer haben.
»Sehen Sie, Herr Gerlach, das ist das ewige Problem von uns Griechinnen«, seufzte Klara Vangelis nach einer Weile, »seit tausend Generationen hängen uns die Machos zum Hals heraus. Und trifft man dann mal einen, der ein bisschen feinfühlig ist und weiß, wie eine Frau angefasst werden möchte, dann fährt er Auto wie ein Nönnchen und kriegt schon Asthma, wenn er von weitem ein Schaf sieht.«
»Was ich Sie schon immer tragen wollte«, sagte ich, um von diesem gefühlsbeladenen Thema wegzukommen. »Ihr Name, Vangelis, das ist doch eigentlich ein männlicher Vorname. Es gab da mal einen Musiker …«
Sie nickte müde. »Von dem muss der Beamte damals auch ein Fan gewesen sein, der die Formulare ausfüllte. Mein Vater heißt eigentlich Vangelis Kostas. Aber seit er in Deutschland ist, heißt er umgekehrt.«
»Warum hat er nicht protestiert?«
»Als meine Eltern Griechenland verließen, herrschten dort die Militärs. Da hat man Beamten nicht ohne Not widersprochen. Mama war hochschwanger, und Papa war es piepegal, wie er nun hieß. Vielleicht hat er auch gedacht, dass es in Deutschland entsprechende Vorschriften gibt. Was weiß ich. Außerdem ist Kostas bei uns ja auch ein Vorname. Und irgendwo war es am Ende auch wirklich egal.«
»Und wie geht es mit der Arbeit voran?«
»Ich habe sämtliche Telefonanrufe in den fraglichen Zeiträumen zurückverfolgen lassen.« Immer noch stocherte sie in ihrem Essen herum. Liebeskummer war schon immer
Weitere Kostenlose Bücher