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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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diese Frau mit einem Windhund wie Nunda zu schaffen? Sie war intelligent, das sah man an ihren wachen Augen – wenn sie einen denn einmal ansah. An diesen Augen, die manchmal für kurze Zeit so viel Angst und überwundenen Schrecken ausdrückten. In ihrem Blick waren keine Bosheit und keine Heimtücke.
    »You should talk to me«, sagte ich eindringlich. »I’m a police officer.«
    In holprigem Englisch bemühte ich mich, ihr begreiflich zu machen, in welcher Gefahr sie schwebte. Täuschte ich mich, oder kniff sie ihre Augen noch ein wenig stärker zu? Ich erklärte ihr, dass ich ihr nur helfen konnte, wenn sie mit mir zusammenarbeitete.
    »I must know what happened to you. I must know who is trying to kill you. And I’m sure he will try it again. Sooner or later.«
    Keine Regung, kein Zucken, nichts.
    »Rafael Nunda was killed, you know. And you will also be killed if you keep quiet.«
    Es fiel mir nicht leicht, ihr mit dem Tod zu drohen. Es fiel mir nicht leicht, ihr wehzutun. Aber es ging nicht mehr anders.
    Immer noch keine Reaktion. Hatte sie Angst, nach Angola zurückgeschickt zu werden? Wurden überhaupt illegale Einwanderer dorthin ausgewiesen? Natürlich. Ob ihr Leben nach der Rückkehr in ihre Heimat gut oder schlecht sein würde, interessierte die deutschen Behörden nicht. Hatte sie nicht zu interessieren. Der Krieg war vorbei, auch wenn das Sterben noch lange nicht zu Ende war. Hatte sie deshalb keine Papiere bei sich gehabt? Damit sie nicht identifiziert werden konnte? Unsinn.
    Vermutlich hatte sie gewusst, dass Nunda tot war, bevor sie selbst niedergeschlagen wurde. Hatte sie ihn geliebt und sah nun keinen Sinn mehr in ihrem Leben, in Gesprächen? So wirkte sie nicht, wenn sie mich ansah. Sie wirkte traurig, aber nicht hoffnungslos. Manchmal, wenn man ihr etwas brachte, was sie freute, einen Nachtisch, einen Apfel, dann konnte sie sogar lächeln, hatte ich erfahren. Auf eine scheue, schnelle, verzagte Weise lächeln.
    Mich hatte sie noch nie angelächelt.
    Ihr Gepäck hatten wir längst untersucht. Viel war es nicht gewesen. Eine kleine Tasche, darin zwei Blusen zum Wechseln, eine Ersatzjeans, ein luftiges Trägerkleid, ein paar flache Schuhe. Als wollte sie nur zwei, drei Tage bleiben. Keine Papiere, kein Ticket für den Rückflug. All das war vermutlich in ihrer verschwundenen Handtasche gewesen.
    Frau de Santos tat immer noch, als wäre ich nicht da. Ich war für sie nichts als eine dieser Gestalten, die geschäftig um sie herumgeisterten, kamen und gingen, sie versorgten und pflegten. Sie war Schneewittchen und ich einer ihrer sieben Zwerge.
    Plötzlich wütend, sprang ich auf, riss meinen Blick los von ihrem Gesicht, das mir auf einmal verstockt vorkam, trotzig, kindisch, trat ans Fenster. Sie war ein Fall, weiter nichts. Ich hatte den Mistkerl zu finden, der versucht hatte, ihr den Schädel einzuschlagen. Alles Weitere ging mich nichts an. Vielleicht war es besser, den Fall Klara Vangelis zu überlassen. Oder Balke. Für beide war Frau de Santos eine Figur in einem mehr oder weniger spannenden Fall. Die würden sich ihretwegen nicht so verrückt machen wie ich. Warum machte ich mich überhaupt verrückt? Offenbar war sie mehr für mich, als sie sein sollte. Aber was, zum Teufel? Was war sie eigentlich für mich?
    Als ich mich wieder zu ihr umdrehte, hatte sie die Augen offen. Ernst, nachdenklich und ein wenig mitleidig sah sie mich an. Lange trafen sich unsere Blicke, ohne dass sich ihre Miene verändert hätte. Und dann, plötzlich, lächelte sie. Warm und voller Sympathie. Ich trat näher, wollte sie ansprechen, und dann geschah das vollkommen Unerwartete. Mit einer flinken Bewegung zog sie eine Hand unter der Decke hervor, winkte mich zu sich. Und als ich mich zu ihr herunterbeugte in der Erwartung, sie wollte mir etwas ins Ohr flüstern, legte sie den Arm um meinen Nacken und gab mir einen Kuss auf den Mund. Einen flüchtigen nur, einen Freundschaftskuss, der nichts, aber auch nichts von Begehren an sich hatte. Aber einen Kuss, der mir bis in die Zehenspitzen fuhr.
    So schnell, wie sie mich an sich gezogen hatte, ließ sie mich los, verbarg die Hand wieder unter der Decke und schloss die Augen erneut.
    Ich war so verwirrt, dass ich die beiden uniformierten Kollegen, die seit gestern Abend vor der Tür des Krankenzimmers Wache hielten, zu grüßen vergaß.
    Den Rückweg in die Polizeidirektion legte ich trotz der Hitze fast im Laufschritt zurück. Als hätte ich Grund zu fliehen. Beim

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