Schwarzes Fieber
Tisch.
»Wollen Sie erst die gute oder erst die schlechte Nachricht hören?«, fragte Hecker mürrisch zurück.
»Eigentlich mag ich überhaupt keine schlechten Nachrichten.«
»Okay, dann die also die gute: Es ist mir endlich gelungen, etwas über Engracia de Santos rauszufinden. Genauer, ich weiß, wo sie gewohnt hat.«
»Gewohnt hat? Heißt das, sie ist umgezogen?«
»Nein, denn jetzt kommt die schlechte Nachricht: Frau de Santos ist vor zwei Jahren bei einem Straßenüberfall von einem Jugendlichen erschossen worden. Sie war übrigens wirklich blond und brauchte keine Perücke. Die Frau, die Sie haben, muss sich also irgendwie den Pass von Frau de Santos organisiert haben.«
»Und damit sie dem Foto darin ähnlich sieht, hat sie sich eine Perücke gekauft.«
Na prima. Der tote Mörder betrieb bei bester Gesundheit ein Café in der Ukraine, und die Frau, die seinen Mordanschlag knapp überlebt hatte, war vor zwei Jahren in Angola erschossen worden. Und beide reisten mit falschem Pass.
»Der Telefonanschluss in Huambo«, fuhr Hecker fort, »gehört nämlich zu einem kleinen Lebensmittelgeschäft in der nördlichen Innenstadt. Inhaberin ist eine gewisse Isabel Camaral. Stellen Sie sich eine rabenschwarze Mama vor, mit breitem Hintern, in bunte Tücher gewickelt und mit ungefähr zwanzig Kindern um die schmutzigen Füße.«
»Das klingt nur sehr bedingt nach einer kleinen, schwarzhaarigen Weißen.«
Jetzt lachte Hecker doch. »Wir haben jetzt einen Verbündeten in Huambo. Bob stammt aus Houston und arbeitet für Handicap International. Ist ein echt netter Typ und hat in meinem Auftrag heute Vormittag persönlich mit Frau Camaral gesprochen. Ihr Telefon ist das einzige im Umkreis von mindestens einer Meile, und deshalb betreibt sie in ihrem Laden nebenher so eine Art Telefonshop. Dort kann man nicht nur telefonieren, sondern sich auch anrufen lassen. Gegen eine Gebühr, versteht sich. Die Dame scheint recht geschäftstüchtig zu sein. Und außerdem weiß sie alles über ihre Nachbarschaft.« Hecker zog die Nase hoch. »Diese Frau Camaral erinnert sich ganz gut an Frau de Santos. Die hat bis zu ihrem Tod nur ein paar Häuser weiter gewohnt, in derselben Straße. Und außerdem – und damit kommen wir zur wirklich guten Nachricht – hat sie eine sehr gute Freundin gehabt.«
»Und ich nehme an, diese Freundin …«, sagte ich langsam.
»Ist klein, schwarzhaarig und seit ein paar Wochen verschwunden.«
Balke hätte an dieser Stelle »Bingo« gesagt.
»Der Name?«
»Rosana Ribeiro. Sie hat am dreizehnten Juli mit Deutschland telefoniert, steht in Frau Camarals Notizbuch. Ein Mann hat vormittags angerufen und wollte Frau Ribeiro sprechen. Sie hat dann eines ihrer Kinder losgeschickt, und eine halbe Stunde später hat er wieder angerufen. Die beiden haben ungefähr zwei Minuten miteinander gesprochen.«
»Ich werde Sie bei Gelegenheit zum Ehrenkommissar ernennen lassen«, sagte ich zum Abschied. »Was ist eigentlich mit Ihnen los? Sie klingen, als wären Sie krank.«
»Krank?« Heckers Lachen klang ein wenig mühsam. »Wir mussten gestern Abend zu einem Empfang beim brasilianischen Botschafter. Hier wird ja überall viel gesoffen, aber die Brasilianer sind fast noch schlimmer als die Russen. Und wenn einem der Botschafter zuprostet, dann muss man mithalten. Das verlangt das Protokoll.«
Rosana also. Rosana Ribeiro. Heute würde sie reden. Ich weiß nicht, warum, aber plötzlich war ich mir sicher.
Beim Mittagessen saß ich zusammen mit Klara Vangelis allein an einem Vierertisch. Balke war noch unterwegs. Die Kantine war auch heute nur schwach besucht. Noch immer war Ferienzeit.
Stumm und mit bedrückter Miene zerstückelte Vangelis ihr Cordon bleu. Wie immer war sie edel gekleidet, im selbst geschneiderten Designerkostüm. Sie schien sich heute noch gerader zu halten als sonst.
»Ihr Urlaub war wohl nicht so toll?«, fragte ich mitfühlend.
Sie zerquetschte ein Möhrchen zu Brei und starrte Löcher in den Tisch. Obwohl wir kein herzliches Verhältnis hatten, tat sie mir leid. Bestimmt war sie noch nicht oft verliebt gewesen, obwohl oder vielleicht gerade weil sie eine der hübschesten Frauen war, die ich kannte. Sie arbeitete unendlich viel – wenn nicht im Polizeidienst, dann in der Taverne ihres Vaters in Dossenheim, wo sie regelmäßig aushalf. Und sie war eine Mitarbeiterin, wie man sie sich als Vorgesetzter wünscht. Wenn Klara Vangelis etwas in die Hand nahm, dann funktionierte es. Fehler
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