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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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gedrückt und ihr befohlen, zusammen mit Manuel, der damals neunzehn Jahre alt war, die Flucht zu versuchen. An Widerspruch war nicht zu denken gewesen. Die Eltern und Raimondo waren zusammen mit ein paar treuen Bediensteten zurückgeblieben. Sie wollten versuchen, die Farm zu halten, solange es irgend ging, und sich später, falls nötig, ebenfalls nach Huambo durchschlagen. Dort würde man sich treffen. An einem Samstag, mittags um zwölf, unter den Türmen des Doms.
    Monatelang hatten Rosana und Manuel dort gestanden, Woche für Woche, immer eine Stunde lang. In den Bildern, die vor meinen Augen entstanden, sah ich die Geschwister Hand in Hand dort stehen und warten. Aber jedes Mal hatten sie anschließend allein zurücklaufen müssen zu der ärmlichen Bleibe, die sie gefunden hatten, sieben Kilometer vom Dom entfernt.
    Fast hatte ich vergessen, dass Rosana und Manuel damals längst keine Kinder mehr gewesen waren.
    Über die Flucht selbst und ihre Lebensumstände in Huambo erfuhr ich nichts. Zweimal in der halben Stunde, die ich dort auf und ab ging und zuhörte, streckte eine Schwester den Kopf durch die Tür, nickte uns erleichtert zu und verschwand wieder.
    Ihre Patientin hatte die Sprache wiedergefunden. Endlich.
    Im Internet findet man heute alles. Sogar Bilder von Huambo. Wie erwartet: zerschossene Häuser, Ruinen, Krüppel, ausgemergelte Kinder. Dann aber auch: stolze, schöne Frauen, bunt gekleidete Menschen, lachende Schulkinder und Jugendliche mit T-Shirts und Baseballkappen. Neue, chromfunkelnde Mopeds neben schrottreifen Rostlauben und bestens gepflegten Geländewagen. Staubige Straßen, aber auch Parks, grüne Wiesen und blühende Bäume. Eine große, weder besonders schöne noch eindrucksvolle Kirche mit zwei Türmen. Vielleicht der Dom? Eine nagelneue, knallbunt bemalte Bibelschule.
    Die Skyline Huambos hätte ebenso gut irgendwo im Süden Europas liegen können. Sogar eine Universität gab es.
    Von Hecker hatte ich vor wenigen Minuten erfahren, dass Manuel Ribeiro an Aids gestorben war.
    »Es gibt in Afrika Länder, die schlimmer dran sind als Angola«, hatte er mir erklärt. »So pervers es klingt, durch den Krieg hatten die Leute einfach nicht so recht Gelegenheit, den Virus zu verbreiten.«
    Die Mittel, die man in Europa und Amerika hatte, um die Krankheit zwar nicht zu heilen, aber doch zum Stillstand zu bringen, gab es in Angola nicht. Oder nur für so viel Geld, wie kaum jemand aufbringen konnte. Immerhin hatte Rosana hin und wieder Antibiotika organisieren können für ihren kranken Bruder.
    »Sie krepieren ja letztlich nicht an Aids, sondern an irgendeiner der ekligen Krankheiten, die Sie kriegen, wenn Ihr Immunsystem nach und nach zusammenbricht. Gestorben ist er schließlich an einer Lungenentzündung.« Hecker schwieg für Sekunden. »Wissen Sie, Herr Gerlach«, fuhr er dann ungewohnt ernst fort. »Der Mensch gewöhnt sich an manches. Aber das hier, das macht sogar mir zu schaffen. Diese Frau muss Furchtbares durchgemacht haben. Unter den dortigen Umständen zu überleben, ist schon für Schwarze nicht einfach.«
    »Sie ist ja in Angola aufgewachsen. Sie muss einiges gewöhnt sein.«
    »Schon klar. Aber die Weißen haben hier immer anders gelebt als die Schwarzen. Ein Afrikaner kann sich monatelang von Luft und Wurzeln ernähren. Und er trinkt Wasser, in dem Sie sich nicht mal die Füße waschen würden.«
    »Sie sind manchmal ganz schön zynisch, wenn ich das sagen darf.«
    Hecker lachte gallig. »In meiner Position hier am Arsch der Welt haben Sie drei Alternativen: sich versetzen lassen, saufen oder zum Zyniker werden. Option eins hat bisher nicht geklappt, obwohl ich praktisch täglich einen Antrag schreibe. So habe ich mich für die beiden anderen entschieden.«
    »Wovon haben die beiden eigentlich gelebt? Hat sie gearbeitet?«
    »Niemand weiß es«, seufzte mein Dr. Watson. »Da draußen gibt’s nicht viele Möglichkeiten, auf legalem Weg Geld zu verdienen. Jeder schlägt sich irgendwie durch, man zieht auf dem Balkon Gemüse, treibt Tauschhandel mit dem, was einem geblieben ist, und den Rest organisiert und stiehlt man sich zusammen. Irgendwie scheinen die beiden klargekommen zu sein. Bestimmt nicht üppig, aber immerhin, sie haben überlebt. Sie hat überlebt, wollte ich sagen.«
    »Was wird auf so einer Farm eigentlich angebaut? Ich stelle mir immer vor, da ist überall Wüste.«
    »Oh, da täuschen Sie sich. Es gibt im Hochland viele fruchtbare Landstriche. Da wachsen Mais

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