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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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mehr geschehen.
    Das Prisma hatte sie soeben gekauft. Sie wusste nicht, warum sie es wert war, aber es erschien ihr nicht wie eine willkürliche Geste. Sie sah Vena an, die die Achseln zuckte. Gavin Guile hatte etwas mit Liv vor, und sie würde ihre Aufgabe mit Freuden erfüllen. Wie hätte sie etwas anderes tun können? Aber was war das für eine Aufgabe?

39
    Das Blau der Zelle versuchte, in sein Gehirn einzudringen und ihn leidenschaftslos und logisch zu machen. Kein Raum für Hass, für Neid, für Zorn. Der tote Mann murmelte in seiner Wand.
    Dazen stand auf und ging zu ihm hinüber. Der tote Mann residierte in einem besonders leuchtenden Teil der blauen Luxin-Wand. Er war natürlich Dazens Zwilling.
    »Die Zeit ist gekommen«, sagte der tote Mann. »Du musst dich töten.«
    Der tote Mann warf Dazen gern ein Feuer in den Schoß, um festzustellen, was er damit tat.
    Dazen ließ den Hals nach links und rechts knacken. Der tote Mann ließ den Hals nach rechts und links knacken. »Wie meinst du das?«, fragte Dazen.
    »Du bist nicht bereit gewesen zu tun, was du tun musst. Wenn du nicht tiefer schneiden kannst als Dazen, wirst du …«
    »Ich bin jetzt Dazen!«, blaffte Dazen.
    Der Mann in der Wand lächelte nachsichtig. »Noch nicht, oh nein. Du bist immer noch ich. Du bist immer noch Gavin Guile, der Bruder, der verloren hat. Dazen hat dir dein Leben gestohlen, aber du hast seines nicht übernommen. Noch nicht. Du bist nicht bereit. Rede in ein oder zwei Jahren noch einmal mit mir.«
    »Du bist tot!«, fuhr Dazen ihn an. »Du bist der tote Mann, nicht ich. Ich bin Dazen!«
    Aber sein Spiegelbild sagte nichts.
    Sein Sohn war da draußen. Sein Sohn, nicht der des echten Dazen. Der echte Dazen stahl seinen Sohn. Geradeso wie er sein ganzes Leben gestohlen hatte.
    Gavin hatte vor langer Zeit entschieden, dass er, wenn Dazen ihm sein Leben stahl, seinerseits Dazens Leben stehlen würde. Sein jüngerer Bruder war immer der Klügere der beiden gewesen, also bestand die einzige Hoffnung auf Flucht darin, zu Dazen zu werden – weiter zu denken als sein Bruder, einen Schritt unter die tiefste Falle des echten Dazen zu graben und ihm dann diese Falle zu stellen. Bisher hatte es nicht funktioniert.
    »Es hat nicht funktioniert, weil du nicht bereit bist, alles zu riskieren, um zu siegen. Das war Dazens Geniestreich«, sagte der tote Mann. »Erinnerst du dich an das letzte Mal, als ihr beide miteinander gekämpft habt?«
    »Als er mich eingekerkert und mir mein Leben gestohlen hat?«
    »Nein, das letzte Mal, als ihr mit den Fäusten gekämpft habt.«
    Gavin konnte es niemals vergessen. Er war der ältere Bruder gewesen. Er musste siegen. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, weshalb sie gekämpft hatten. Das war nicht wichtig gewesen. Er hatte den Streit wahrscheinlich begonnen. Dazen war schon eine ganze Weile zuvor übermütig geworden und hatte Gavin nicht den Respekt erwiesen, den er verdiente. Also hatte Gavin ihm einen Hieb gegen die Schulter versetzt und ihn beschimpft.
    Obwohl Gavin älter war, war Dazen damals mindestens so groß gewesen wie er, wenn nicht größer. An den meisten Tagen hätte Dazen die Beschimpfung mit einer Klage und einem Fluch hingenommen. Nicht an jenem Tag. Dazen hatte ihn angegriffen, und plötzlich war in Gavin die Furcht aufgestiegen, die seit langer Zeit an ihm genagt hatte. Was, wenn er verlor?
    Sie kämpften, versuchten einander umzuwerfen, ließen einen Hagel von Schlägen auf die Arme, in den Magen, auf die Schultern des anderen niederprasseln. Viele Hiebe wurden blockiert, aber selbst jene, die die Deckung durchbrachen, waren eher schmerzhaft, als dass sie Schaden anrichteten. Kämpfe gegen den eigenen Bruder hatten Regeln. Man versuchte nicht, Knochen zu brechen, man schlug nicht ins Gesicht. Es ging um Unterwerfung, Dominanz und Bestrafung.
    Aber wenn Dazen einen Kampf gewann, würden die Dinge zwischen ihnen nie wieder so sein wie früher. Das durfte nicht geschehen. In seiner Furcht und Verzweiflung schlug Gavin Dazen ins Gesicht.
    Der Schlag ließ Dazen rückwärts taumeln, aber mehr des Schocks als der Wucht des Hiebes wegen. Dazen war im Allgemeinen ziemlich ausgeglichen, aber sobald Gavin sein Gesicht sah, wusste er, dass er einen Fehler gemacht hatte. Einen großen. Der Schmerz spielte keine Rolle. Die Dominanz spielte keine Rolle. Nicht für Dazen. Er war absolut verrückt geworden. Er brauchte nicht einmal Rot zu wandeln, um vollkommen die Fassung zu verlieren. Und er

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