Schwarzes Prisma
Reitern, vielleicht Spiegelmännern, kamen ihren verhüllten Fenstern manchmal nahe genug, um ihre Silhouetten sehen zu können. Wenn sie jedoch sprachen, konnte sie niemals die Worte ausmachen. Abends bekam sie Essen in einer geschwärzten Eisenschale, mit einem geschwärzten Eisenlöffel, schwarzes Brot und Wasser, niemals Wein – verdammt sollten sie sein, sie dachten sogar an das Rot des Weins. Ein Spiegelmann in Begleitung einer Wandlerin holte jeden Abend nach Sonnenuntergang ihren Nachttopf, die Schale, den Löffel und den Becher. Als sie eines Abends den Löffel behielt und ihn unter einem Kissen versteckte, sagten sie kein Wort. Noch gaben sie ihr am nächsten Tag Wasser. Als sie den Löffel hergab, bekam sie auch wieder Wasser.
Die Langeweile war das Schlimmste. Es gab nur eine begrenzte Anzahl an Liegestützen, die man an einem Tag machen konnte, und alles, was anstrengender war, war unmöglich. Im Wagen fanden sich keine Musikinstrumente, keine Bücher und gewiss keine Waffen oder eine Möglichkeit, sich im Wandeln zu üben.
Am sechsten Abend kamen zwei Blaue herein. »Wählt eine Position aus, die bequem ist«, sagte eine von ihnen. Karris setzte sich auf ihre kleine Pritsche, die Hände auf dem Schoß gefaltet, die Knöchel gekreuzt, und sie fesselten ihr mit ungefähr der fünffachen Menge an Luxin, die notwendig gewesen wäre, Arme und Beine. Dann setzten sie ihr eine violette Brille auf und gingen.
König Garadul kam in den Wagen, einen zusammenklappbaren Feldstuhl unterm Arm. Er hatte sich offenbar über seine normale Kleidung ein weites schwarzes Hemd und eine ebensolche Hose gezogen. Karris verstand, dass man in ihrer Nähe vorsichtig war, aber dies war lächerlich. Der König ließ sich auf dem Feldstuhl nieder. Er musterte sie wortlos.
»Ich nehme nicht an, dass Ihr Euch an mich erinnert«, begann er. »Ich bin Euch einmal begegnet, vor dem Krieg. Natürlich war ich damals noch ein Junge, drei Jahre jünger als Ihr, und Ihr wart bereits bis über beide Ohren … nun, es war einer der Guile-Jungen, ich erinnere mich nicht, welcher es war. Vielleicht erinnert Ihr Euch auch nicht daran. Eine Zeitlang schien da einige Verwirrung zu herrschen, nicht wahr?«
»Ihr seid ein echter Charmeur, hm?«, fragte Karris.
»Ihr wärt vielleicht überrascht«, erwiderte er und schüttelte den Kopf. »Ich dachte immer, Ihr wärt ein schönes Mädchen, aber die Geschichten über Euch haben ein Eigenleben angenommen. Ein tragisches Liebesdreieck zwischen den beiden mächtigsten Männern der Welt stellt hohe Anforderungen an ein schönes Mädchen, nicht wahr? Ich meine, warum sonst sollten zwei Männer die Welt in Stücke reißen? Wegen der Einblicke in die Geschichte, die das Mädchen hat? Wegen ihrer Schlagfertigkeit? Nein. Ihr wart ein hübsches Mädchen, das durch das Verlangen der Barden, Euren Taten einen gewissen Sinn abzuringen, schön gemacht wurde. Versteht mich nicht falsch«, fuhr er fort, »ich war so sehr in Euch verliebt, dass es mich des Nachts wach gehalten hat. Ihr wart meine erste große, unerwiderte Liebe.«
»Ich bin mir sicher, dass Ihr davon viele hattet. Oder tun die Frauen so, als fänden sie Euch attraktiv, jetzt, da Ihr König seid?«, fragte Karris.
Zügle dein Temperament, Karris, ermahnte sie sich. Aber die Wahrheit war, es war nicht das Rot, das sie veranlasste, das zu sagen. Sie hatte es immer gehasst, anderen zu gehorchen, genau das zu tun, was sie wollten.
Er runzelte finster die Stirn. »Irgendwie wurde die scharfe Zunge in den Lobeshymnen ausgelassen. Oder ist das eine neue Beifügung?«
»Ich fühle mich heutzutage ein wenig freier, auszusprechen, was ich denke. Ich habe bereits die Welt zerstört, was bedeutet da das Ego eines einzelnen Mannes?«, entgegnete Karris.
»Karris, ich war auf dem Weg, Euch ein Kompliment zu machen, bevor Ihr uns gezwungen habt, bei diesen Unfreundlichkeiten Zuflucht zu suchen.«
»Oje. Dann fahrt bitte fort; es gibt nichts, was mir mehr bedeuten würde, als vom Schlächter von Rekton Lobesreden zu hören.«
Er rieb sich nachdenklich die Hände. »Es tut mir leid, dass Ihr das mit ansehen musstet, Karris.« Er fuhr fort, ihren Namen zu benutzen. Es gefiel ihr nicht. »Ich hoffe, Ihr wisst, dass es mir keine Freude gemacht hat, was ich dort befohlen habe, aber ich hoffe außerdem, dass Ihr versteht, dass diese kleine Monstrosität größere in Zukunft vermeiden wird. Ihr seid vertraut mit dem Manuskript, das den Titel Der Ratgeber für
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