Schwarzes Prisma
Logik, aber sie hatte die Leichen gesehen. Das Blut. Die aufgestapelten Köpfe.
»Wie ich vorhin bemerken wollte …«, sagte König Garadul. Er holte tief Luft, schob offenkundig seine Frustration beiseite und fuhr fort. »Ihr wart ein sehr hübsches Mädchen, aber nur hübsch, trotz der Geschichten. Aber Ihr seid zu meinem großen Entzücken und zu meiner Überraschung eine der wenigen Frauen, denen ich je begegnet bin, die mit den Jahren schöner geworden sind. Ihr seht mit dreißig besser aus, als Ihr es mit zwanzig getan habt, und es würde mich nicht überraschen, wenn Ihr mit vierzig noch besser aussehen würdet als heute. Natürlich bin ich davon überzeugt, dass es hilft, dass Ihr nicht sechs oder zehn Bälger aus Euren Lenden gepresst habt. Die meisten hübschen Mädchen schaffen es, einen Ehemann zu finden, bevor sie so alt werden, aber lasst uns einem geschenkten Gaul nicht ins Maul schauen.«
Ein echter Charmeur. Was war los mit König Garadul, sagte er einfach alles, was ihm gerade in seinen idiotischen Kopf sprang?
»Euer Gesicht ist in der Tat ein Gesicht, das Poeten inspiriert. Dies jedoch« – er deutete vage in ihre Richtung, und sie war sich nicht sicher, was er meinte – »dies muss sich ändern. Ihr habt Schultern wie ein Mann.« Der Bastard! Woher wusste er, wie sehr sie ihre Schultern hasste? Wann immer die Mode danach war, dass sie ihre Schultern verstecken konnte, zeigte sie ihre Oberarme. Und er hatte genau das gesagt, was sie sich mindestens einmal die Woche sagte: Ich habe Schultern wie ein Mann. Aber der König war noch nicht fertig. »Euer Hintern sieht aus wie der eines zehnjährigen Knaben. Vielleicht liegt es an diesem Kleid. Wollen wir es hoffen. Und Eure Brüste. Eure armen, prachtvollen Brüste. Wo sind sie hin? Sie waren größer, als Ihr fünfzehn wart! Euer Training endet jetzt. Ich werde Euch gestatten, wieder zu tanzen und zu reiten, wenn Ihr nicht länger einer verhungerten Pygmäenfrau aus dem Dunkelwald ähnelt.«
»So lange werde ich nicht hier sein«, erwiderte Karris und runzelte die Stirn. Hatte sie gerade zugegeben, dass sie wie eine verhungerte Pygmäenfrau aussah?
»Karris, meine Liebe. Ich habe fünfzehn Jahre auf Euch gewartet. Und ob Ihr es wisst oder nicht, auch Ihr habt auf mich gewartet. Ihr und ich, wir begnügen uns nicht mit dem Zweitbesten. Warum sonst solltet Ihr noch immer unverheiratet sein? Also können wir noch einige weitere Monate warten. Ich werde Euch besuchen kommen, wenn Euer Kleid fertig ist.« Er blickte sich um. »Oh, und mir ist aufgefallen, dass Ihr hier nichts habt, was Euch unterhält. Es muss langweilig sein. Es ist gut für eine Frau, die angenehmen Künste zu meistern. Ich werde Euch die Psantria meiner Mutter bringen lassen. Das ist doch das Instrument, das Ihr spielt, nicht wahr?« Er lächelte und ging hinaus.
Der schlimmste Teil war, dass Karris tatsächlich dankbar war. Ein wenig. Der Bastard.
53
Kip und Liv gingen direkt auf die Schwarzgardisten zu, die den Aufzug bewachten. »Wir müssen mit dem Prisma sprechen«, sagte Liv.
»Wer seid Ihr?«, fragte der kleinere der beiden. Er war wirklich klein, natürlich Parianer und gebaut wie ein Eckstein. Er sah Kip an. »Oh, Ihr seid Gavin Guiles Bas …« Er hüstelte. »Neffe.«
»Ja, ich bin sein Bastard«, entgegnete Kip wütend. »Wir müssen ihn sofort sprechen.«
Der Schwarzgardist sah seinen Gefährten an, einen Mann, der genauso muskulös war, aber ungeheuer groß. »Wir haben keine Order erhalten, wie das Prisma seinen … Neffen behandelt zu sehen wünscht«, erwiderte der Mann.
»Es ist ein Notfall«, erklärte Liv.
Die beiden wirkten ungerührt, und ein Ausdruck, der besagte, wer zur Hölle ist dieses Mädchen, stahl sich in ihre Züge.
»Jemand hat soeben versucht, mich zu töten«, sagte Kip.
»Stumpf, hol den Hauptmann«, sagte der hochgewachsene Schwarzgardist. Stumpf? Der Name des kleinen Schwarzgardisten war tatsächlich Stumpf? Da die Schwarzgardisten beide Parianer waren, die traditionellerweise beschreibende Namen wie Eisenfaust hatten, hatte Kip keine Ahnung, ob es ein Spitzname oder sein echter Name war.
»Er hat gestern Nacht die dritte Wache gehalten«, erwiderte Stumpf, dessen Mund sich verzerrte.
»Stumpf.« Der Große pochte auf seinen Rang.
»Schön, schön. Ich geh ja schon.«
Stumpf verschwand, und der größere Schwarzgardist drehte sich um und klopfte an die Tür, dreimal, Pause, zweimal. Nach fünf Sekunden wiederholte er
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