Schwarzes Prisma
war. Jetzt wurde ihm die Realität der Tatsache, wie nahe er daran gewesen war, in den Tod zu stürzen, mit Macht bewusst. Er konnte sich fallen sehen, sich windend, hilflos, wie in einem schrecklichen Traum, und dann barst sein Körper wie eine saftige Traube.
Und wer hätte irgendeinen Verdacht geschöpft? Die Frau hätte in sein Zimmer schlüpfen, ihn vom Balkon werfen und dann einfach wieder gehen können. Selbst wenn sie herausgefunden hätten, wer sich zu der Zeit auf der Etage befunden hatte, wer hätte vermutet, dass eine massige Frau eine Meuchelmörderin war? Die Menschen hätten gedacht, Kip sei nach seiner Prüfung zusammengebrochen und wäre gesprungen. Niemand hätte die Wahrheit erfahren.
Und wen hätte es gekümmert?
Kip verspürte eine gewaltige, nagende Leere in der Brust.
Er hatte niemals irgendwo dazugehört. Selbst daheim in Rekton nicht. Zu fett und zu unbeholfen für Isa, zu klug, um echte Nähe zu Sanson zu empfinden, der nur eine Winzigkeit von einem Einfaltspinsel entfernt gewesen war, gnadenlos verspottet von Ram, zu jung für Liv. Er hatte gedacht, wenn er Teil der Chromeria wurde, würde er zum ersten Mal in seinem Leben Teil von irgendetwas sein. Aber auch hier würde er anders sein. Er würde anders sein und allein, ganz gleich, wohin er ging.
Orholam, warum hatte er diese Frau überhaupt daran gehindert, ihn vom Balkon zu werfen? Zwei Sekunden des Entsetzens, gewiss, und eine Masse zerplatzten Kips auf den Felsen. Aber das Entsetzen würde enden, alles würde enden, und das Meer würde die Schweinerei wegspülen.
Jemand schlug ihn. Kip taumelte. Rieb sich das Kinn.
»Fang endlich an zu sprechen, Kip«, verlangte Gavin.
Also erzählte Kip ihnen alles. Liv starrte ausdruckslos zu Boden, als er erzählte, dass sie weggegangen war, nachdem er ihr mitgeteilt hatte, dass er ihren Vater für tot hielt.
Hauptmann Eisenfaust sagte: »General Danavis hat während all dieser Zeit in irgendeinem hinterwäldlerischen Dorf gelebt?« Er sah Liv an. »Entschuldigung, ich wusste, dass wir eine Danavis in der Chromeria hatten, aber ich hätte nicht gedacht, dass Ihr mit dem General verwandt seid.« Er räusperte sich und hielt den Mund.
»Es würde mich nicht überraschen, wenn er es geschafft hätte zu fliehen«, sagte Gavin. »Der General war stets ein listiger Bastard, und ich meine das auf die denkbar positivste Art und Weise.«
Liv grinste, schwach und kurz. Kip erzählte ihnen den Rest.
Nachdem er zum Ende gekommen war, tauschten Gavin und Eisenfaust einen Blick. »Das Gebrochene Auge?«, fragte Eisenfaust.
Gavin zuckte die Achseln. »Unmöglich zu wissen. Natürlich ist das der Punkt.«
»Das was?«, fragte Kip.
»Meine Magister haben uns erzählt, das sei ein Mythos«, protestierte Liv. Das Prisma und der Kommandant der Schwarzen Garde drehten sich zu ihr um. Sie schluckte hörbar und starrte zu Boden.
Eisenfaust sagte: »Eure Magister haben zum Teil recht. Der Orden des Gebrochenen Auges ist eine angesehene Gilde von Meuchelmördern. Sie spezialisieren sich auf die Ermordung von Wandlern. Sie sind bei mindestens drei verschiedenen Gelegenheiten ausgerottet und vernichtet worden. Kein Satrap und keine Satrapa schätzen es, Wandler, die sie so viel gekostet haben, vor dem Ende ihrer natürlichen Zeitspanne zu verlieren. Wir glauben, dass jedes Mal, wenn der Orden neu gegründet wurde, es ohne irgendeine Verbindung zu einem der früheren Orden geschah.«
»Um es einfach auszudrücken«, bemerkte Gavin, »irgendein Schurke treibt einige weitere Schurken zusammen in der Hoffnung, eine Menge Geld damit zu verdienen, einige Wandler zu erdolchen, und sie bezeichnen sich als Orden des Gebrochenen Auges, damit sie hohe Honorare verlangen können. Es ist pure Heuchelei.«
»Woher wisst Ihr das?«, fragte Kip.
»Weil sie, wenn sie echt wären, ihre Arbeit besser machen würden.«
Kip runzelte finster die Stirn. Die Frau, die ihn zu töten versucht hatte, war ziemlich gut gewesen.
»Das heißt nicht, dass sie alle gleichermaßen unfähig wären, Kip«, sagte Gavin. »Das ist ja gerade der Punkt. Wir hätten nicht einmal darüber reden sollen. Es bringt uns dem wahren Problem keinen Schritt näher. Ob der Orden echt ist oder nicht, jemand hat eine Meuchelmörderin ausgeschickt, um dich zu töten. Du bist noch nicht lange genug hier, um dir Feinde gemacht haben zu können, also handelt es sich offensichtlich um einen Feind von mir. Es gibt nur eines, was wir tun können.«
Kip biss sich
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