Schwarzes Prisma
Lächeln der Menschen sah, begriff Kip zur Gänze, was Gavin getan hatte. Mit zehn Minuten Anstrengung und ein wenig Raffinesse hatte er ein Ärgernis in eine Chance verwandelt, nicht nur die Männer, denen er geholfen hatte, für sich zu gewinnen, sondern auch all jene, denen sie diese Geschichte erzählen würden. Dass das Prisma selbst sich daran beteiligt hatte, den Wagen anzuheben, zu bewegen und zu stabilisieren, ohne sich darum zu scheren, dass er sich dabei seine teure weiße Kleidung schmutzig machte, war eine Botschaft, die diese Männer verstanden. Ein Herrscher, der mit ihnen schwitzte, war ein Herrscher, der möglicherweise Männer verstand, die ihr Brot im Schweiße ihres Angesichts verdienten. Einem solchen Mann konnte man leichter vertrauen als einem feinen Adligen in Seidengewändern, der ein Musterbeispiel höfischer Etikette sein mochte, aber die echte Welt nicht kannte.
»Das ist der Grund, warum man kaum noch jemanden hört, der ihn Herrscher Guile nennt«, sagte Eisenfaust leise; er hatte offensichtlich Kips Gedanken gelesen. »Im Herzen ist er kein Herrscher; er ist ein Promachos, ein Vorkämpfer. Es ist nicht immer die beste Methode zu kämpfen, aber es ist seine einzige Methode. Das ist der Grund, warum Männer bereit sind, für ihn zu sterben.«
»Warum ist er dann nicht Promachos geblieben?«, erkundigt sich Kip und dachte darüber nach, ob es eine gefährliche Frage war.
»Ich könnte ein Dutzend Gründe auflisten. Die Wahrheit ist, ich weiß es nicht.«
Mit einer Geste – die natürlich einzig zu Demonstrationszwecken diente – ließ Gavin das gesamte Luxin los, und es löste sich schimmernd auf, bis nichts mehr als Staub zurückblieb. Er nickte den Männern zu, die mit ihm zusammengearbeitet hatten, dann bedeutete er Kip, ihm zu folgen.
Als Kip sich zu Gavin gesellte und durch das Tor trat, fragte Gavin: »Hast du schon diesen grünen Luxin-Ball für mich?«
»Was?«, protestierte Kip. »Ich kann nicht glauben – ich hatte nicht einmal eine Chance …«
Oh. Er hat mich wieder einmal auf die Schippe genommen. Gavin grinste.
»Hör zu, Kip«, sagte Kip, »das Wort leichtgläubig ist auf den Himmel geschrieben!« Er blickte sich um, als habe er keinen Schimmer. »Häh? Wo?«
Gavin lachte, und wenn Kip sich nicht irrte, glaubte er, dass selbst Eisenfaust lächelte. »Ein wenig langsam auf der Startlinie, aber gebt Acht, wenn er Geschwindigkeit aufnimmt. Erinnert mich an jemanden.« Sein Grinsen sagte Kip, dass dieser Jemand er selbst war. Er legte Kip eine Hand auf die Schulter.
Kip fühlte bei dieser Berührung tausend Dinge, die er nicht benennen konnte. Diese Berührung erhob Anspruch auf ihn: Das ist mein Sohn, sagte sie. Seine Mutter hatte diese Worte einige Male gesagt – immer nachdem Kip etwas vermasselt hatte. Sie hatte sie nie mit Stolz ausgesprochen.
Gavin Guile war nicht nur ein großer Mann. Er war ein guter Mann. Kip würde alles für ihn tun.
63
»General, ich muss mit Euch sprechen.« Liv Danavis hatte ihren Vater auf dem Dach des Travertin-Palastes gefunden, und auf einem Tisch waren Listen und Berichte ausgebreitet. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, und er hatte sich dick vermummt gegen die Kälte des Morgens. Er stand da und ignorierte für den Moment seine Arbeit, während er mit dem Hintern an der Tischkante lehnte und nach Osten blickte.
»›General‹ heute Morgen, nicht ›Papa‹. Ich stecke anscheinend in Schwierigkeiten«, sagte er. Seine Mundwinkel zuckten. »Komm her.«
Sie trat neben ihn, und er zog sie dicht an sich, so dass sie den Sonnenaufgang gemeinsam beobachten konnten.
»Augenblicke der Schönheit geben uns Nahrung in Stunden der Hässlichkeit«, bemerkte ihr Vater. Sie beobachtete ihn, während er den Sonnenaufgang beobachtete. Seine blaugrünen Augen – natürlich außerhalb des roten Halos – sahen müde aus. Corvan Danavis hatte schon immer die Fähigkeit besessen, mit weniger Schlaf zu überleben als irgendjemand sonst, den Liv kannte, also wusste sie, dass es nicht die frühe Stunde war, die ihn erschöpfte. Es war nicht das erste Mal, dass sie diesen Ausdruck auf dem Gesicht ihres Vaters sah, aber sie dachte, dass es vielleicht das erste Mal war, dass sie ihn verstand.
Wenn er sonst diesen Ausdruck gezeigt hatte, die Augen zusammengekniffen und jeden Glückes bar, musste er die Schlachten der Vergangenheit noch einmal durchlebt haben. Heute bereitete er sich darauf vor, in der Zukunft weitere Männer sterben zu
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