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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Orholam tatsächlich an einzelnen Männern oder Frauen gelegen war oder an Nationen, was das betraf.
    Sie sah ihn blinzeln. Er öffnete den Mund und schloss ihn schnell wieder. Presste die Lippen zusammen, einen gequälten Ausdruck in den Augen. »Ich kann es nicht sagen«, antwortete er schließlich.
    Kannst du es nicht sagen, weil du diese Wahl tatsächlich nie getroffen hast? Wie kannst du mich dann belehren? Aber das ergab keinen Sinn. Ihr Vater war der beste Mann, den sie kannte.
    Ihr Vater hatte sein Leben gelebt, weil er an bestimmte Ideen glaubte. Das war es, was ihn veranlasst hatte, gegen Gavin Guile zu kämpfen und alles in diesem Kampf aufzugeben. Er war ein Mann von hohen Idealen gewesen. Diese Ideale waren es, die ihn dazu gebracht hatten, sich selbst von der Chromeria fernzuhalten, die ihn dazu gebracht hatten, Widerstand gegen seine Tochter zu leisten, als sie zur Chromeria gehen wollte. Er hatte Angst gehabt, dass der Mangel der Chromeria an Idealen sie verderben würde.
    Eine weise Furcht, wie sich herausstellte, dachte Liv schuldbewusst. Sie war verdorben worden. Sie hatte sich bereitgefunden, Gavin auszuspionieren. Sie war genauso schlecht wie alle anderen in der Chromeria.
    Aber das erklärte nicht, warum ihr Vater plötzlich für den Mann kämpfte, den er hassen sollte. Die Ideale hatten sich nicht verändert. Wenn überhaupt, hätte Gavins Anwesenheit hier, sein Kampf gegen Tyreaner, ihren Vater dazu bringen sollen, nur umso entschlossener gegen ihn zu kämpfen.
    Orholam, vielleicht war ihr Vater ebenfalls verdorben worden. Vielleicht war er gekauft worden. Vielleicht hatte er genau wie alle anderen seine Ideale verkauft, geradeso wie Liv es getan hatte. Bei dem bloßen Gedanken daran tat ihr das Herz weh, aber warum sonst sollte er ihr die Antwort auf etwas verweigern, das so naheliegend war? Weil eine solche Antwort seine Heuchelei unleugbar offenbart hätte.
    Die ganze Chromeria war korrupt. Sie besudelte alles, was sie berührte. Liv hatte ganz unten gestanden. Sie hatte gesehen, wie Monochromaten behandelt wurden; sie hatte gesehen, wie Tyreaner behandelt wurden. Und sie war ebenfalls ein Teil der Macht geworden. Sie war beinahe eine Freundin des Prismas selbst geworden – und sie liebte es, liebte es, mit einem mächtigen Mann zu reden und sich in seiner Aufmerksamkeit zu sonnen. Sie hatte die schönen Kleider geliebt und es genossen, so behandelt zu werden, als sei sie etwas Besonderes und der Aufmerksamkeit würdig. Und um ihre Macht zu behalten, hatte sie sich verkauft – so leicht, so leicht. Aber so funktionierten die Dinge in der Chromeria. Sie hatte sogar ihren Vater verdorben.
    »Liv«, sagte ihr Vater. »Liv, vertrau mir. Ich weiß, es ist schwer, aber bitte.«
    »Dir vertrauen? Wenn du mir nicht vertrauen willst?«, fragte sie gequält.
    »Livy, bitte. Ich liebe dich. Du weißt, dass ich nichts tun würde, was dir schadet.«
    Und dann wurde alles klar, und es raubte Liv den Atem. Wie konnte das Prisma ihren Vater dazu bewegen, alles zu verraten, was ihm teuer war? Warum sollte ihr Vater einfachen Fragen ausweichen? Weil er sie liebte. Corvan war verdorben worden, aber nicht von Geld oder Macht oder Sex. Sie wusste, dass er seine Seele nicht so billig verkaufen würde. Was hatte das Prisma also gegen Corvan in der Hand? Er hatte Liv.
    Gavin Guile benutzte Liv, um ihren Vater zu unterwerfen. Sie wusste nicht, wie genau die Drohung und die Bestechung ausgesehen hatten, aber es spielte keine Rolle. Liv wurde auf genau die gleiche Weise bestochen und bedroht, aber von den Ruthgari. Sie wusste jetzt, wie das Spiel gespielt wurde. Sie hatte ihre Prinzipien verraten, weil sie Vena liebte. Ihr Vater verriet seine Prinzipien, weil er Liv liebte.
    Corvan hatte entschieden, dass seine Treue einzig seiner Familie gelten sollte. Das bedeutete Liv. Und es bedeutete, dass er es ihr nicht erzählen konnte.
    Liv brach das Herz. Sie musste ihre Gefühle mit Macht niederkämpfen, um nicht in Tränen auszubrechen. Grausam. So grausam. Wie konnte Gavin etwas Derartiges tun und sie dann anlächeln?
    Aber genau so ist die Chromeria. Vipern und Schurken, allesamt. Und Corvan hatte alles in seiner Macht Stehende getan, um Liv daran zu hindern, in die Chromeria zu gehen – alles, außer ihr zu befehlen, der Chromeria fernzubleiben, weil er nicht so herrisch war. Es war ihre Schuld. Liv schluckte den plötzlichen Kloß in ihrer Kehle herunter. Ihr Vater war ihretwegen herabgewürdigt worden. Er

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