Schwarzes Prisma
geben. Er musste das Luxin ja nicht nur wandeln, sondern auch an Ort und Stelle befördern. Und wie jede andere Farbe hatte Gelb Masse. Es wog ungefähr so viel wie Wasser, und die Mengen, die Gavin für die Mauer brauchte, würden ihn erdrücken. Seine Muskeln würden ihm lange vor seinen Fähigkeiten im Wandeln den Dienst versagen. Natürlich würde es umso schlimmer werden, je höher die Mauer wurde.
Er hatte versucht, von einem Gerüst aus zu arbeiten, aber binnen einer halben Stunde war klar geworden, dass sie die Mauer auf diese Weise nicht einmal in einem Monat fertigstellen würden, geschweige denn in den fünf Tagen, die Gavin hatte.
Das war der Zeitpunkt gewesen, an dem Liv sich zu Wort gemeldet hatte. Sie skizzierte ihre Idee deutlich, und wie die meisten großen Ideen schien sie simpel und offensichtlich – nachdem sie alles erklärt hatte.
Gavin legte zu beiden Seiten der Mauer je eine Schiene und wandelte eine Brücke, die sie miteinander verband. Nachdem Räder und ein Geschirr hinzugefügt waren, konnte er daran über der Mauer hängen. Die Räder glitten über die Schienen, also bewegte sich jetzt sein Gerüst mit ihm, statt dass er alle zwanzig Schritt ein Gerüst bewegen musste. Statt Luxin nach oben zu werfen, konnte er es fallen lassen. Dies nahm dem Projekt beinahe alle körperliche Anstrengung.
Nachdem er das Geschirr richtig gewandelt hatte, so dass er nicht jedes Mal, wenn er Luxin warf, wie verrückt hin und her schwang, war es später Nachmittag. Gavin war langsam über seine Schienen gerollt, hatte das gelbe Luxin in Abständen von zwanzig Schritten versiegelt und über die versiegelten Punkte weiteres Gelb gelegt. Bei der Zeitspanne, die ihnen vor Sonnenuntergang noch blieb, konzentrierte er sich auf rohes Wandeln und versuchte, von den Grundfesten so viel fertigzustellen, wie er konnte.
Er machte gewaltige Fortschritte, aber es war immer noch schwer zu sagen, ob er mit der Mauer rechtzeitig fertig werden würde. Wenn er bis zum Eintreffen von Rask Garaduls Armee eine hohe, undurchdringliche Mauer baute, in der aber in der Mitte auf zweihundert Schritt noch eine Lücke klaffte, würde das ganze Unternehmen vergebens gewesen sein.
Gavin ließ sich zum Boden hinab. Er schwankte ein wenig, als er auf Corvan Danavis zuging, der ihre Pferde hielt. Corvan wirkte besorgt. »Ich habe nur lange Zeit nicht auf den Füßen gestanden«, sagte Gavin.
Corvan akzeptierte dies schweigend. Nachdem sie ein Stück geritten waren und die Sonne sich für den Tag endgültig verabschiedet hatte, sagte er: »Also … Karris wurde gefangen genommen.«
»Mmh-hmm«, brummte Gavin und mied jeden Blickkontakt.
»Also hast du alles hinter dir gelassen?«
Gavin sagte nichts.
»Gut. Ich dachte immer, dass sie die größte Gefahr für deinen Plan darstellte. Genug Gründe, um euch beide zu hassen, und impulsiv genug, um alles niederzureißen, ohne nachzudenken. Also wirst du Rask gegen dich aufbringen und hoffen, dass er sie tötet, um zu beweisen, dass er es ernst meint?«
»Zur Hölle mit dir«, erwiderte Gavin.
»Oh, dann bist du also nicht darüber hinweg?«, fragte Corvan.
Es war nicht sein Ernst, Karris so kaltblütig töten zu lassen. Das wusste Gavin. Corvan mochte immer die drastischsten Methoden kennen, aber das bedeutete nicht, dass er sie auch stets benutzte.
»Also weiß sie es immer noch nicht?«
»Nein. Das ist der Grund, warum ich unser Verlöbnis gelöst habe.«
»Weil sie die wahrscheinlichste Person war, die dich durchschauen würde, oder aus einem anderen Grund?«, fragte Corvan.
»Wir haben sie zerstört. Dazen hat ihr Zuhause niedergebrannt, und der Krieg hat ihr den Rest genommen. Mir war nicht klar, dass sie nichts hatte – und es hätte mir klar sein sollen. Als ich ihr anbot, ihr das Familienvermögen zurückzugeben, schien es wie eine Beleidigung. Sie spuckte mich an und verschwand für ein Jahr. Als sie zurückkam, war sie verändert.«
»Das ist mir aufgefallen. Eine Schwarzgardistin. Eine erstaunliche Leistung. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet.«
Obwohl es dunkler wurde, war es in den Straßen angenehm warm, und wenn überhaupt, wurde die Menge dichter, während die Menschen draußen vor ihren Häusern oder Läden Lampen entzündeten. Andere entspannten sich und tranken auf den Flachdächern ihrer Häuser. Es war beinahe so, als würde sich der Stadt kein Verhängnis nähern.
Gavin schaute sich um und stellte sicher, dass seine Stimme zu leise war, um weit
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