Schwarzes Prisma
wenn Ihr blinzelt, festkleben werden. König Garadul will Euch um Eurer Schönheit willen, also will ich Euch nicht die Wimpern abschneiden, wenn ich es vermeiden kann. Aber sobald wir die Kappen festgeklebt haben, werden sie tagelang über Euren Augen bleiben. Ihr werdet wohl kaum den Wunsch haben, dass Eure Wimpern mit Leim verkleben – oder festkleben bleiben. Also, wollt Ihr blind sein, verärgert oder wimpernlos?«
»Wimpernlos, und zur Hölle mit Rask«, antwortete Karris.
Die Sklavin schürzte die Lippen. »Ihr habt recht. Der König wird vielleicht ungehalten sein. Wir werden das Risiko eingehen müssen. Blinzelt jetzt, so viel Ihr könnt, denn Ihr werdet so lange wie möglich nicht blinzeln dürfen.« Mit großer Sorgfalt und viel Leim setzte sie die Augenkappen ein.
Karris wagte kaum zu atmen und hielt so still wie möglich, während sie sich zwang, nicht zu blinzeln. Als sie schließlich nicht mehr konnte und blinzeln musste, verfingen sich ihre Wimpern für einen Moment in dem bereits trocknenden Leim, kamen jedoch wieder frei.
»Oh, und versucht, nicht zu weinen«, sagte die Sklavin. »Oder Ihr werdet bis zu den Augäpfeln in Tränen stehen. Buchstäblich.« Sie lächelte unfreundlich.
Zum Schreien komisch.
Nachdem der Leim völlig getrocknet war, schminkten sie ihr weiter die Augen.
Dann, eingekeilt zwischen Wandlerinnen und Spiegelmännern, wurde Karris durch das Lager geführt. Die Sonne war vielleicht eine Stunde zuvor untergegangen, und Karris hieß die frische, trockene Luft willkommen. Neben dem Geruch ihres eigenen Parfüms konnte sie Pferde, Männer, Lagerfeuer, rohes Schlachtfleisch, siedendes Fleisch, Salbeibüsche und Öl riechen. Öl? Sie blickte sich um und sah in der Nähe einen Vorratswagen. Oh, geölte Schwerter und Musketen.
Aufgrund der Anzahl von Wagen, die ihren eigenen umringten, konnte Karris von der Armee nicht genug sehen, um eine gute Vorstellung davon zu bekommen, wie viele Männer gegen Garriston marschierten. Nicht einmal die Anzahl der Wagen half ihr. Sie wusste nicht, wie schwer oder leicht sie bepackt waren, und selbst wenn sie es gewusst hätte, hatte sie, als sie das letzte Mal mit einer Armee gereist war, nicht auf solche Dinge geachtet. Jung, verhätschelt, verängstigt und dumm, wie sie gewesen war, war es ihr nicht in den Sinn gekommen, dass solch einfache Dinge eines Tages für sie nützlich sein könnten.
Verstreut zwischen den Soldaten fand sich eine große Anzahl von Frauen; sie trugen frisch geschlagenes Holz für die Feuer, standen auf dem Schlachterwagen, riefen Männern etwas zu, kümmerten sich um die gerechte Verteilung von Lebensmitteln und auch um die geringfügigen Verletzungen, wie sie bei einem Kriegszug mit Tausenden von Menschen unausweichlich waren, nahmen Waffen und Rüstungen an, die in den Schmieden repariert werden mussten, und wiesen jene zurück, die von ihren Besitzern genauso gut selbst repariert werden konnten. Die meisten der Frauen schienen als Dienstboten zu arbeiten, was entweder bedeutete, dass König Garadul nicht viel von Frauen hielt oder dass die meisten gerade erst rekrutiert worden waren. Aufgrund der großen Mannigfaltigkeit ihrer Kleidung vermutete Karris, dass sie aus allen Gesellschaftsschichten kamen. Das bedeutete, dass sie neuere Rekrutinnen waren, und zwar willige. Diese Menschen waren nicht alle Dienstboten, die er aus Kelfing mitgebracht hatte; es waren Einheimische. König Garadul erfreute sich beträchtlicher Unterstützung durch das tyreanische Volk.
Karris wurde schnell zu einem Bereich gebracht, in dem vielleicht fünfzig Wagen im Kreis standen. Es blieben nur wenige Gehwege zwischen den Wagen, wo Pferde passieren konnten, und ein jeder Gehweg wurde von zehn Spiegelmännern mit Luntenschlossgewehren bewacht. In der Mitte befand sich eine freie Fläche für die Verteidigung, in deren Mitte eine Anzahl großer, gestreifter Pavillons in jeder Farbe stand, ringsum umgeben von kleinen Geschützen wie ein Stachelschwein mit ausgefahrenen Stacheln.
Ein Krampf befiel Karris, als sie zu dem Pavillon in der Mitte geführt wurde. Sie krümmte sich zusammen und bekam keine Luft mehr. Sie presste die Augen fest zu, und die Luxin-Kappen schnitten ihr schmerzhaft in Brauen und Wangen. Sie glättete ihre Gesichtszüge und wartete, bis der Krampf ein wenig nachließ. Dann holte sie langsam Luft und beherrschte den Schmerz. Anschließend gab sie einer ihrer Wachen ein Zeichen, als sei sie eine Königin und jetzt bereit
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