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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Blau trat in den Vordergrund, als der Besudelte Karris musterte; Grün zappelte wie eine Schlange durch ein Labyrinth aus Orange und Rot.
    »Ihr«, sagte König Garadul, »seid eine Vision, Karris. Ein Anblick für wunde Augen.«
    »Und Ihr seid ein wunder Anblick für Augen«, erwiderte sie mit einem süßen Lächeln.
    Er lachte. »Nicht nur schöner, als Ihr es als junges Mädchen wart, sondern auch klüger. Karris, setzt Euch zu uns. Ich habe ein Geschenk für Euch, aber zuerst möchte ich Euch gern meine rechte Hand vorstellen.« Er deutete auf den Besudelten. »Karris Weißeiche, das ist der Kristallene Prophet, der Polychrome Meister, Lord Omnichrom, der Farbprinz, der Schauerlich Erleuchtete.«
    »Ein langer Name«, bemerkte Karris. »Eure Mutter muss ewig gebraucht haben, um Euch zum Abendessen zu rufen.«
    »Ihr könnt Euch Euren Lieblingsnamen aussuchen«, entgegnete der Farbprinz. Seine Stimme war beunruhigend … menschlich. Stark, selbstsicher, erheitert, wenn auch heiser wie die Stimme eines langjährigen Nebelrauchers.
    »Dann wähle ich den Gescheckten Narren.«
    Rot schoss an die Oberfläche seiner Augen, schnell ersetzt durch kühles, erheitertes Blau. »Nun, Karris, ist das die Art, wie Euer Vater Euch zu sprechen gelehrt hat? Ihr wart früher so erpicht darauf, ihm zu gefallen. So damenhaft, so süß. So zahm für eine Grünwandlerin.«
    »Das hat vor langer Zeit aufgehört«, sagte sie. »Wer zur Hölle seid Ihr? Ihr kennt mich nicht.«
    »Oh, ich kenne Euch durchaus«, erwiderte der Farbprinz. Er schaute zum König hinüber.
    »Aber sicher, nur zu, erlaubt Ihr, frühzeitig ihr Geschenk zu öffnen«, sagte Rask Garadul mit geheucheltem Ärger.
    »Seht mich an, Karris«, begann der Kristallprophet. »Nehmt Euch einen Moment Zeit. Blickt über Eure Furcht hinweg, über Euren schäbigen Abscheu, Eure Ignoranz.«
    Karris biss sich auf die Zunge. Es lag etwas Echtes in dieser schnarrenden Stimme, ein Wunsch, erkannt zu werden. Also schaute sie schweigend hin. Der Körper war natürlich keine Hilfe, daher musterte sie das Gesicht. Die luxinbefleckte Haut verdeckte die Züge, ebenso wie die Brandnarben. Eine Augenbraue war in Weiß nachgewachsen, sei es in Reaktion auf Feuer oder Luxin, das wusste sie nicht. Aber da war etwas Vertrautes.
    Orholam. Das Feuer. Die Brandnarben. Eine Faust presste sich um ihr Herz und drückte zu. Sie bekam keine Luft. Er konnte es nicht sein. Er war seit sechzehn Jahren tot. Aber im nächsten Moment wusste sie, dass es kein anderer sein konnte. »Koios«, sagte Karris. Das war also der Grund, warum die Weiße sie geschickt hatte. Ihr Feind war ihr Bruder. Die Knie gaben unter ihr nach, und sie ließ sich schwer auf die Kissen neben dem König nieder, damit sie keinen damenhaften Ohnmachtsanfall erlitt.

68
    Gavin hörte auf zu wandeln, während die Sonne unter dem Horizont versank. Er konnte reflektiertes Umgebungslicht benutzen, wenn er es wünschte, aber er war bereits erschöpft. Er blickte über die mit verkümmerten Büschen bewachsene Ebene nach Süden. Karris war dort draußen, irgendwo. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde er sie nie wiedersehen, niemals die Gelegenheit bekommen, ihr die Wahrheit zu sagen. Es bekümmerte ihn mehr, als er es für möglich gehalten hätte.
    Er drehte sich wieder um und betrachtete voller Enttäuschung sein Tagewerk. Er hatte gehofft, heute eine halbe Wegstrecke der Mauer errichten zu können, mindestens. Stattdessen hatte er nicht mehr als die Grundfesten gelegt, wenn auch eine volle Wegstrecke davon. Überraschenderweise war es Aliviana Danavis gewesen, die das bisher größte Problem gelöst hatte. Oder vielleicht war es keine solche Überraschung, wenn man bedachte, wie klug ihr Vater war. Gavin war an dem Graben entlanggegangen, den die Arbeiter aushoben, und hatte Gelb hineingespritzt. Wo bereits eine Mauer vorhanden war, hatte er das Gelb wie Wasser darüberfließen, es in jede Ritze einsickern lassen und Stein und Mörtel mit Magie verstärkt. Wo selbst die Grundfesten der alten Mauer nicht mehr existierten, hatte er das Gelb direkt in solides Luxin gewandelt und der Mauer Grundfesten von einer Breite von sieben Schritt gegeben. Er verankerte das Gelb mit einem halb verdunsteten, teerigen, dicken roten Luxin am Muttergestein.
    Aber da er den Weg an der Mauer entlang zu Fuß ging, kam er nur langsam voran. Zudem würde es, sobald das Fundament ebenerdig war und er sich der Mauer darüber zuwenden musste, ein anderes Problem

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