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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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einzutreten.
    Der Mann zog die Lasche des Pavillons zurück, und Karris ging hindurch.
    Es musste ein beachtliches Kleid sein, denn sobald Karris eintrat, brach das Gespräch ab.
    Es befanden sich vielleicht siebzig Menschen im Pavillon: Sklaven, Akrobaten, Jongleure und Musikanten, die um etwa dreißig Edelmänner und Frauen herumstanden. Die Edelleute saßen auf Kissen um einen niedrigeren Tisch herum, auf dem sich Delikatessen und Wein türmten. Alle waren farbenprächtig gekleidet, so bunt, dass Karris die Farben selbst durch die Dämpfung ihrer dunklen Augenkappen erkennen konnte. König Rask Garadul saß natürlich an der Stirnseite des Tisches, und Ringe funkelten an Fingern, zwischen denen er einen Weinkelch hielt. Er war mitten im Satz verstummt und starrte sie mit offenem Mund an.
    Aber Karris nahm ihn kaum wahr, weil zu seiner Rechten ein Mann saß, der keinem ähnelte, den sie je gesehen hatte. Sie zwang sich, weiter auf den König zuzugehen, mit wiegenden Hüften, raschelndem Rock, den Kopf hoch erhoben, die Schultern entspannt, als sei sie nicht eingeschüchtert.
    Der Mann war ein Besudelter. Karris hatte bisher in ihrem Leben nur einen einzigen gesehen, und der hatte sich noch in den frühen Stadien seines Wahnsinns befunden. Dieser Mann befand sich nicht im frühen Stadium, aber er wirkte auch nicht wahnsinnig. Er trug eine simple Priesterrobe, doch sie war von blendendem Weiß, statt von dem gewohnten Schwarz, das die Priester Orholams trugen, diese Farbe ein Eingeständnis, dass sie von allen Orholams Licht am dringendsten benötigten. Und sein Gesicht wies auch keine Spur priesterlicher Demut auf.
    Aber zumindest war sein Gesicht größtenteils menschlich – Haut, Blut und Knochen. Fäden von grünem Luxin lagen unter vernarbter, verbrannter Haut wie verblasste Tätowierungen und erhoben sich an den Wangenknochen und auf der Stirn bis dicht an die Oberfläche. Am Hals veränderte sich sein Körper. Die Haut war pures Luxin aus jeder Farbe des Regenbogens. Die Innenseite seines Ellbogens, sichtbar, als er in einem spöttischen Salut vor Karris seinen Weinkelch hob, war biegsames, grünes Luxin, ebenso wie seine anderen Gelenke und sein Hals. Blaue Luxin-Platten lagen auf jeder Oberfläche, die sich nicht zu bewegen brauchte. Es gab eine Plattenpanzerung auf seinen Unterarmen, einen Panzerhandschuh um seine Hände, mit Dornen auf den Fingerknöcheln. Seine Schultern wirkten unnatürlich breit unter der ketzerischen Priesterrobe, das V seiner Brust war sichtbar durch die Robe, die von reflektiertem Licht schimmerte wie das Meer bei Sonnenaufgang. Keine Platten aus blauem Luxin also, sondern tatsächlich gewebtes blaues Luxin, das seine Stärke verdreifachte und es erheblich unwahrscheinlicher machte, dass es zersprang, wenn man über die Geschicklichkeit und die Geduld verfügte, es herzustellen.
    Überall floss gelbes Luxin zwischen oder unter den anderen Farben und erneuerte ständig, was immer durch Sonnenlicht oder natürlichen Zerfall verloren ging. Wo Platten zusammenstießen, ließ orangefarbenes Luxin als Schmiermittel sie glatt aneinander vorbeigleiten. Rotes Luxin formte archaische Runen und Zeichnungen von achtzackigen Sternen in dünnen Schichten auf den blauen Platten. Karris konnte nicht erkennen, ob er Ultraviolett in seine Haut eingebaut hatte, aber sie war davon überzeugt, dass es so war. Schließlich hatte er in die Mitte der Innenseite jeder Hand einen Flammenkristall eingelassen. Flammenkristalle, die physikalische, versiegelte Manifestation von Infrarot, hielten für gewöhnlich nur wenige Sekunden. Wenn sie der Luft ausgesetzt wurden, platzten sie und brannten aus.
    Dieses Ungeheuer hatte irgendwie einen Kristall in jede Hand gesenkt und ihn mit blauem Luxin gegen die Luft versiegelt, so dass man buchstäblich durch seine beiden Hände hindurchschauen konnte, auch wenn es so war, als blicke man durch eine Fata Morgana; das Bild schimmerte von der Hitze, was typisch für einen Flammenkristall war. Und doch konnte er noch immer die Finger benutzen, was bedeutete, dass er entweder ein Wunder wirkender Heiler war oder dass es sich um eine Illusion handelte. So musste es sein. Das Ganze war unmöglich.
    Karris sah seine Augen zuletzt, als sie vor König Garadul hintrat. Die Iris des Besudelten waren zersprungen. Der Halo war überall gebrochen. Überall sickerten Farben aus den Iris und befleckten das Weiß seiner Augen mit allen Farben. Die Farben selbst kreiselten stetig, und

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