Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
Vom Netzwerk:
Sachverhalt begriffen haben, denn bevor die Schwarzgardisten einwenden konnten, dass sie Gavin nicht alle verlassen konnten, glitt die Haube zurück. Die plötzliche Bewegung warf mehrere Verteidiger von der Mauer, und der Sturz bedeutete eine garantierte Verstümmelung oder den Tod. Aber es musste getan werden.
    Es zerstörte außerdem die Rutsche, die die Schwarzgardisten für Gavin gemacht hatten. Aber binnen Sekunden erschufen sie sie neu und warfen ihn ohne viel Federlesens hinunter.
    Die Schwarzgardisten am Boden der Rutsche fingen ihn auf und stellten ihn auf die Füße. Wenigstens konnte er wieder selbst stehen.
    »Bringt mich zum Tor«, befahl Gavin.
    Die Schwarzgardisten sahen einander an.
    »Verdammt sollt Ihr sein! Wenn wir das Tor verlieren, verlieren wir die Mauer. Wenn wir die Mauer verlieren, verlieren wir die Stadt.«
    »Die Stadt ist nicht unsere Sorge. Unsere Sorge ist Eure Sicherheit«, rief jemand. Zitterfaust. Er war aus dem Nichts aufgetaucht. »Ihr könnt stehen. Könnt Ihr auch rennen?«, fragte er Gavin.
    »Ich renne nicht!«
    »Wir können das Tor nicht halten!«, rief Zitterfaust. »Meine Wachen werden abgeschlachtet, und wofür? Wir sind nicht Eure persönliche Armee. Wir schützen Euer Leben, nicht Eure Launen. Ihr macht uns unsere Arbeit unmöglich!«
    Gavins Scheitern entfaltete sich vor seinen Augen. Dies war seine Schuld. Es war nicht sein Wandeln, das gescheitert war, es war seine Führerschaft. Er hatte diesen Männern und Frauen nie erklärt, warum sie kämpften. Er hatte Gehorsam bis zum Tod verlangt, ohne ihnen auch nur zu sagen, warum es wichtig war. Er war selbst zwiegespalten gewesen, und jetzt überraschte es ihn, dass sie dafür nicht sterben wollten? Eine Lüge wäre besser gewesen.
    Alles, was er durch das Gedränge von Soldaten zwischen ihm selbst und dem Tor sehen konnte, waren Feuerblitze, Rauch und Blut, das hoch gegen den Bogen spritzte. Die Schwarzgardisten befanden sich zweifellos noch an vorderster Front – einzig die Schwarze Garde konnte so lange gegen die Anzahl von Farbwichten ausharren, die Gavin hatte kommen sehen. Das Prasseln von Musketenfeuer war konstant, aber langsam. Die Soldaten zwischen Gavin und dem eigentlichen Schlachtfeld wussten nicht, dass sie anderen die Schusslinie hätten freimachen müssen – also schossen die Männer weiter hinten nicht, aus Angst, die vor ihnen zu treffen. Aber bisher drehte niemand um.
    Natürlich würde sich das ändern, wenn sie sahen, wie ihre besten Kämpfer sich zurückzogen, sie im Stich ließen. Die Schwarzgardisten waren der Dreh- und Angelpunkt.
    Mit einem Brüllen der Frustration packte Gavin die Muskete eines Soldaten in der Nähe und rannte auf das Tor zu. Er konnte Zitterfaust fluchen hören und hatte keinen Zweifel, dass der massige Mann ihm dicht auf den Fersen sein würde. Er schob und drängelte sich durch die Menge, wobei seine Größe ihn verlangsamte, aber nicht so sehr wie Zitterfaust dessen noch größere Leibesfülle.
    Gavin fluchte und schrie Männer und Frauen an, dass sie aus dem Weg gehen sollten, als er das Knirschen eines Aufpralls hörte. Einen Moment später ging eine Art Welle vom Tor aus. Gavin drängte sich durch eine Reihe Soldaten hindurch zur Mauer, wo sich das Bild eines gewaltigen Kriegers erhob, stoisch und reglos, bis auf den Atem, kleine Dampfwolken, die aus seinem Mund kamen. Gavin berührte einige Stellen – verdammt, er hätte etwas tun sollen, um die richtige Stelle zu kennzeichnen –, bis er die eine fand, nach der er suchte. Er berührte sie – jeder konnte sie berühren, sie wurde durch die Wärme der Hand eines Menschen aktiviert –, und ein kleines Fenster in der Mauer wurde durchsichtig.
    Er hatte recht. Das Knirschen war der Sturm der gewöhnlichen Soldaten auf die Mauer. Zehntausende von ihnen drängten sich in eben diesem Moment gegen die Mauer und versuchten bereits, Sturmleitern und Seile anzubringen. Er konnte nicht darauf warten, dass sie seine kleine Überraschung fanden – aber nichts von alledem spielte eine Rolle, wenn sie das Tor nicht halten konnten.
    Gavin schaute zur Sonne hinüber und sah, dass sie den Horizont berührte. Nicht mehr lange jetzt. Wenn sie es schaffen konnten, bis die Sonne zur Gänze untergegangen war, würde die Macht der Wandler um mehr als die Hälfte verringert sein. Sie konnten mit dem Streulicht des Himmels immer noch wandeln, aber nicht annähernd so stark. Er begann zu rennen und drängte sich durch Männer und

Weitere Kostenlose Bücher